[F.] Die
"Kristallnacht" [am 9./10. November 1938]
[6.17. Reichsvereinigung (RVE) eingerichtet -
Unterstützung für "Nichtarier"]
[Ab 10. Nov 1938: Verbot
der Reichsvertretung RV - Reichsvereinigung der Juden in
Deutschland (RVE) in Planung]
Das November-Pogrom war für sie eine gute Gelegenheit, mit
der Vergangenheit zu brechen. Sofort nach dem Pogrom
entschieden die Nazis, die RV nicht mehr zuzulassen. Aber
die Entscheidung war strittig, denn die Juden sollten doch
eine Organisationen haben, in die die Juden gezwungen
werden sollten.
Im Januar dachte Göring noch, dass die zentrale, jüdische
Organisation ein Anhängsel des neuen Auswanderungsbüros
sein sollte, das er bereits plante. Aber andere Ideen
obsiegten, und am 17. Februar 1939 verkündete die jüdische
Zeitung
Jüdisches
Nachrichtenblatt, die einzige jüdische "Zeitung",
deren Erscheinen von den Nazis noch erlaubt wurde, dass
eine neue, zentrale Organisation des deutschen Judentums
eingerichtet würde, die Reichsvereinigung der Juden in
Deutschland (RVE), deren Mitglieder von der Gestapo
ernannt werden würden.
[4. Juli 1939:
Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingerichtet
(RVE) - Stahl und die Gestapo]
Nun, es dauerte aber bis zum 4. Juli 1939, bis die neue
RVE eingerichtet war und offiziell verkündet wurde. Die
lange Wartezeit wurde durch langgezogene Streitereien
zwischen den deutschen Ministerien verursacht. Aber da kam
auch einiges schmutziges Gezänk ans Tageslicht, zwischen
der Berliner Gemeinde, geführt vom konservativ-liberalen
Heinrich Stahl, und der alten Führung der RV. Im April
erreichte die Angelegenheit ihren Höhepunkt, als Stahl zur
Gestapo ging und um Hilfe bat, um seinen Anspruch auf die
Führung der jüdischen Gemeinde durchzusetzen. Die Gestapo
hat scheinbar nicht direkt interveniert, aber
[RVE-Strukturen - das JDC
unterstützt die Gruppe Baeck-Hirsch-Lilienthal]
im neuen RVE wurde Stahl der Vizepräsident neben Rabbi Leo
Baeck.
(Endnote 89: Shaul Esh: The Establishment of the
Reichsvereinigung der Juden in Deutschland and Its
Activities [Die Einrichtung der Reichsvereinigung der
Juden in Deutschland und ihre Aktivitäten] (Hebrew); In:
Yad Vashem Studies; Jerusalem 1968, 7:19-38)
Das JDC war über die Vorgänge in Deutschland informiert;
es konnte die internen Reibereien in solch kritischen
Zeiten nur bedauern. Es war sich der Intrigen der
Stahl-Gruppe natürlich nicht bewusst, aber wenn immer die
Führergruppe Baeck-Hirsch-Lilienthal es verlangte, dann
bekamen sie vom JDC die Unterstützung, (S.258)
Tabelle
18: Ausgaben des JDC in Deutschland und
Österreich im Jahre 1938 und 1939 (in $)
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Jahr
|
Total der JDC-Ausgabe
|
In Deutschland
|
In Österreich
|
1938
|
3.799.709
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686.000
|
431.438
|
1939
|
8.447.221
|
978.102
|
|
(Endnote 90: Quellen:
-- R12
-- R21
Die Zahlen sind nicht immer aufeinander
abgestimmt. Eine Broschüre mit dem Titel: Aid to
Jews Overseas (R9) gibt für Deutschland z.B. die
Zahl 981.200 $ an).
|
so gut es eben ging. Es muss daran erinnert werden, dass
Leute wie Baerwald, Kahn und Max M. Warburg (der Bruder
von Felix, der schlussendlich 1938 in die USA auswanderte)
mit der deutsch-jüdischen Führerschaft eng vertraut waren.
Sie vertrauten der neu gegründeten Gruppe und dem RV seit
1933. In Tat und Wahrheit war Max Warburg der Initiator
der RV gewesen, hatte einen entscheidenden Teil der
Führerschaft übernommen, und war zu einem grossen Teil der
politische Lenker der Organisation gewesen.
Im Lichte dieser schlimmen Situation - und auch muss noch
gesagt werden, als Resultat der wachsenden Einnahmen - war
das JDC nun fähig, die finanziellen Unterstützungen für
die deutschen Juden zu erhöhen. Ein Teil dieser
Unterstützung kam durch die Quäker, die, wie immer in
angespannten Zeiten, eng mit dem JDC kooperierten.
[Spezielle Hilfe für
"Nichtarier"]
Im Februar 1939 sprach das JDC eine Summe von 100.000 $ an
das American Friends Service Committee, "wobei dieser
Summe keinerlei Publizität zuteil werden sollte, und mit
der Klausel, dass Deutschland möglichst wenig
amerikanische Dollars bekommt, so wie es die
Beitragszahler erwarten."
(Endnote 91:
-- AC [Administration Committee files], 2/2/39 [2. Februar
1939];
-- Germany-AFSC [Quaker American Friends Service
Committee], 2/9/39 [9. Februar 1939])
Die Freunde tendierten dazu, dieses Geld den "Nichtariern"
zukommen zu lassen, das heisst an Leute, die mit den
offiziellen jüdischen Gemeinden nichts zu tun hatten, aber
von den Nazis als Juden angesehen wurden. Durch vielleicht
übervorsichtiges Management wurden bis zum Kriegsausbruch
im September [1939] nur 26.908 $ dieser Summe ausgegeben.