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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939

[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 6. Der Beginn vom Ende
[F.] Die "Kristallnacht" [am 9./10. November 1938]

[6.16. Das JDC nach der Reichskristallnacht - Durcheinander bei den jüdischen Organisationen]

[Ergänzung:
Man muss dazu wissen: Die "US"-Regierung hindert ihre rassistischen industriellen Führer in den "USA" nicht, Hitlers Regime nach der Reichskristallnacht weiter zu unterstützen, mit industriellen Maschinen und Komponenten für die Maschinen. Am Ende bekommt Henry Ford vom Hitler-Regime im Jahr 1943 sogar den höchsten Orden für Ausländer. Es ist absolut unklar, wieso die jüdischen Organisationen diese destruktive Zusammenarbeit zwischen den "USA" und dem Dritten Reich ans Licht gebracht haben].

[Ab 10. Nov 1938: Neue Spendensammlungen für die Juden im Reich - Zusammenarbeit mit dem United Palestine Appeal - Henry Ittleson]

Offensichtlich wurde nun, dass die Beziehungen nach aussen nun nach dem November-Pogrom sehr viel wichtiger wurden als bisher. Und es war klar, dass das JDC nun einen Hauptteil der zusätzlichen Last zu tragen hatte.

Die Notwendigkeit, eine grossangelegte Spendensammelaktion in den USA zu veranstalten, war schon durch das ganze Jahr 1938 ein Thema und erreichte seinen Höhepunkt im November. Von unten, von der Basis aus kam der Antrag einer Vereinigung der beiden Hauptspendensammlungen: derjenigen des JDC, und derjenigen des United Palestine Appeal. Die Person, die hauptsächlich verantwortlich war, die beiden Gruppen zusammenzubringen, war Henry Ittleson, ein Mitglied mit hohem Einfluss in denjenigen gesellschaftlichen Teil, der auch irgendwie als deutsch- (S.254)

jüdische Aristokratie der amerikanischen Ostküste bezeichnet wurde. Unter Ittlesons energischer Führerschaft fand am 23. November eine Sitzung statt unter Beteiligung des JDC, des JPA, und des Jüdischen Gesellschafts- und Wohlfahrtsrats (Council of Jewish Federations and Welfare Funds (CJFWF). Es wurde entschieden, dass zusammen 20 Mio. $ gesammelt werden sollten.

Die Gründe, die das JDC bewogen, einer gemeinsamen Spendensammlung zuzustimmen, wurden von James N. Rosenberg zusammengefasst: Das JDC, so sagte er, "muss den grossen Wunsch im Land erkennen, Konkurrenz bei Spendensammlungen zu vermeiden"; in der Stadt New York wurden gemeinsame Sammlungen bereits von einer Anzahl professioneller Gruppen durchgeführt, und getrennte Spendensammlungen waren "vom amerikanischen Standpunkt aus" schädlich -

(Endnote 80: Executive Committee, 11/28/38 [28. November 1938])

vielleicht meinte er, dass getrennte Anstrengungen angesichts der deutschen Bedrohung irgendwie unpatriotisch seien.

[Dez 1938: United Jewish Appeal eingerichtet - Spendensammlungen mit dem UPA und dem Nationalen Koordinierungskomitee]

Der United Jewish Appeal wurde schlussendlich im Dezember eingerichtet, und das JDC spielte nun darin sehr entschieden die führende Rolle. Dem JDC sollten fast 50 % der gesammelten Spendengelder zukommen, und der Rest sollte hauptsächlich unter dem UPA und dem Nationalen Koordinierungskomitee [National Coordinating Committee] aufgeteilt werden, der Agentur zur Aufnahme und Ansiedlung neuer Einwanderer in den USA, die mit dem JDC eng verbunden war.

Eigentlich war das JDC war in dieses neue Abkommen hineingedrängt worden. Die Erfahrungen mit dem UJA [UPA?] waren in den Jahren 1934/5 nicht zufriedenstellend, und die Erinnerungen daran waren immer noch frisch. Die Zionisten hatten damals nur für Palästina gesammelt, argumentierten die Mitglieder des JDC-Exekutivkomitees, aber sie erwarteten gleichzeitig, dass das JDC direkt oder indirekt auch an Palästina Beiträge abgebe, durch die Unterstützung von Palästina-zentrierten Organisationen in Europa, und durch die Zahlung von Auswanderertransporten nach Palästina.

In den Jahren 1938/1939, nach dem Ansteigen der Nazi-Verfolgung und mit dem wachsenden Elend in Osteuropa, wurden die JDC-Gelder oft überstrapaziert. "Während dieser Jahre der zusammenfallenden Tragödie wurde das Budget- und Bereichsleiterkomitee (des JDC) zu keiner Zeit ermächtigt, ein Budget anzunehmen, das den erforderlichen Beträgen zur Erfüllung der minimalsten Anforderungen entsprochen hätte", beklagte Edwin I. Goldwasser, der JDC-Schatzmeister Ende Oktober 1938.

(Endnote 81: Executive Committee Ordner, Budget and Scope Committee 10/31/38 [31. Oktober 1938])

Der Aufbau von Palästina war gut und recht, aber die Juden in Europa litten und wurden verfolgt - und für sie - dies merkte das JDC - war es in erster Linie wichtig, dass trotzdem noch Gelder zur Verfügung standen. (S.256)

Die Juden in den USA aber begannen anders zu denken. Sie sahen, dass die Juden Europas nicht die einzigen waren, die in Gefahr schwebten; ihre eigene Position und diejenige der USA könnte auch in Gefahr sein. Diese Zeiten waren also keine Zeiten, Rivalitäten unter den Organisationen auszutragen. Es war dann auch bequemer (und vom Gesichtspunkt der Spendensammler auch profitabler) - einmal jährlich für alle Bedürfnisse in Übersee ein Sammlung abzuhalten. Es kam nun klar Druck von oben, und der CJFWF-Rat war das Sprachrohr.

[Streit JDC - ORT]

Und doch blieb noch das Problem, wenn auch untergeordnet, aber doch lästig, der getrennten Spendensammlungen der kleineren Gruppen, die die grossen Sammlungen konkurrenzieren könnten. Der Streit um diese Frage mit dem ORT wurde dabei zu einem Ritual. Im Frühjahr 1938 wurde eine öffentliche Presseerklärung vorbereitet, um das ORT wegen seines separaten Spendensammlungsplans anzugreifen, wobei gleichzeitig aufgezeigt wurde, dass 67 des ORT-Budgets im Jahr 1937 in Tat und Wahrheit vom JDC kamen - das waren 130.000 $.

(Endnote 82: R12, Entwurf zur öffentlichen Presseerklärung, 3/3/38 [3. März 1938])

Am Ende, so wie immer, setzten sich moderatere Verhandlungen durch. Die vorbereitete Presseeklärung wurde nicht veröffentlicht, das ORT erhielt weiterhin Zuweisungen, und die Gefahr einer separaten Spendensammlung wurde beseitigt.

[Entlassung von Internierten mit der Bedingung einer schnellen Auswanderung]

Nach den November-Pogromen fegte eine Welle von panischen Auswanderungen durch Deutschland und Österreich. Die Internierten wurden aus den Konzentrationslagern freigelassen, wenn sie Deutschland in einer bestimmten und sehr kurzen Zeit verlassen würden. Wenn nicht, dann würden sie mit Verhaftung bedroht, was oft den Tod bedeutete. Das österreichische Beispiel fand nun also seine Nachahmer; "Polizei und Parteileitung beharren darauf, dass die Praxis, die in Wien erfolgreich funktioniert hat, die Juden aus dem Land zu treiben, auch in Berlin und im ganzen Land angewandt werden soll."

(Endnote 83: Hyman im Executive Committee, 3/22/39 [22. März 1939])

[Jüdische Organisationen im Durcheinander - kaum Auswanderung nach der Reichskristallnacht]

Die vielen Tausende, die nun das Reich verliessen, mussten unterstützt werden, wie auch jene, die hinter ihnen standen. Während der ersten Wochen nach dem Pogrom kam die Auswanderung aber teilweise zum Erliegen, weil die jüdischen Institutionen in Deutschland sich im Zustand der Desorganisation befanden.

[Der Hilfsverein kann seine Schulden bei den Schifffahrtsgesellschaften nicht mehr bezahlen]

Ein typisches Beispiel waren die hohen Schulden des Hilfsvereins bei den Schifffahrtsgesellschaften, die durch die Auswanderungen in andere Länder als Palästina entstanden waren. Es handelte sich dabei um 55.000 Mark. Wegen der grossangelegten Konfiskation von jüdischem Besitz und wegen der Milliarden-Mark-Busse konnte man diese Schulden nicht mehr zurückbezahlen.

(Endnote 84: R11, Bericht während eines Besuchs in Deutschland, William Bein, 12/6/38 [6. Dezember 1938])

Bis Mitte Dezember wurde geschätzt, dass ein Drittel der jüdisch-männlichen, arbeitenden Bevölkerung immer noch in Konzentrationslagern gefangengehalten wurde; der Prozess der Freilassungen hatte erst begonnen.

(Endnote 85: R55, 12/14/38-12/15/38 [14. Dezember 1938-15. Dezember 1938], Sitzung in Paris)

[Unterstützung für jüdische Schulen und Auszubildende in Berufsausbildungen]

Die Subventionen der deutschen Regierung an die jüdische Wohlfahrt und Schulbetriebe wurden eingestellt. Die meisten der 20.000 jüdischen Kinder im Schulalter mussten nun in 140 jüdische Schulen gehen, die jetzt allein von jüdischer Unterstützung abhingen.

(Endnote 86: Bericht der RV [Reichsvertretung] für das Jahr 1938. Im Mai 1938 gab es 68 öffentliche und 72 private, jüdische Schulen. Die Privatschulen wurden von 9844 Schulkindern besucht. Weitere 10.156 Schulkinder besuchten deutsche oder jüdische öffentliche Schulen. Im Juli 1939 waren immer noch 16.350 jüdische Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren in "Alt"-Deutschland. Ich danke meinem Kollegen Dr. Yosef Walk für diese Einzelheiten).

Unterstützung brauchten auch die 4000 Auszubildenden in den Berufsausbildungsinstitutionen in Deutschland, und in Österreich waren es 24.000. Einige dieser Gruppen bereiteten sich auf landwirtschaftliche Tätigkeiten in Südafrika oder in Palästina for, die besonders ernst zu nehmen waren. Genau diese waren durch das Pogrom am schlimmsten betroffen.

Nichtsdestotrotz wurde daran festgehalten, dass Berufsausbildungen die Chancen auf Auswanderung erhöhten, und für diese Institutionen gab es lange Wartelisten.

Im Allgemeinen konnten die deutsch-jüdischen Organisationen und die entsprechenden österreichischen Organisationen unter den schrecklichen Strapazen weiterarbeiten.

[Der Konzentrationsprozess - kleine jüdische Gemeinden aufgelöst - Finanzhilfe - öffentliche Küchen]

Der Konzentrationsprozess in den Städten ging schnell voran, und die kleinen Gemeinden waren in der Auflösung begriffen. Im Bericht der Reichsvereinigung von 1939 (Nachfolger der RV, [Reichsvertretung]) stand, dass in Preussen von den einstmals 743 Gemeinden jetzt 109 aufgelöst worden waren, 572 befanden sich im Prozess der Auflösung, und 62 waren noch am Leben.

(Endnote 87: 28-3, 1939 Arbeitsbericht).

Dies bedeutete weitere finanzielle Belastungen, verminderte Einkommen, und noch mehr Leid und Herzeleid. Die Anzahl jener, die in Deutschland und Österreich Soforthilfe benötigten, stieg konstant an, wie aus Tabelle 17 zu entnehmen ist.

Um mit all diesen Problemen fertigzuwerden, wurde die Reichsvertretung RV gegründet. Wie wir gesehen haben, war dies 1933 das Resultat einer jüdischen Initiative. Es scheint, dass die Deutschen langsam auf eine

Tabelle 17: Personen mit täglicher Versorgung in öffentlichen Küchen 1939 [in Deutschland und Österreich]
Land
Januar
Mai
Juli
Deutschland
23.308
32.000

Österreich
22.227
36.207
34.306
(Endnote 88: Quellen:
-- Executive Committee, 4/19/39 [19. April 1939]; 5/22/39 [22. Mai 1939];
-- 9-19
Die jüdische Bevölkerung von Österreich betrug 1/3 der von Deutschland. Die oben angeführten Zahlen zeigen, wie weit fortgeschritten die Verarmung in Österreich gegenüber Deutschland war.

(S.257)

Abschaffung dieses letzten Überbleibsels der Unabhängigkeit hinarbeiteten.







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