[B.
Die
Zerstörung des jüdischen Lebens in Rumänien 1929-1939]
[5.17. Nationalisierungsgesetze -
Auswanderungsterror ohne organisierte Auswanderung
1938]
[1938: Nationalisierung
aller kooperativen Institutionen - Aufbaufond und Freie
Kreditkassen müssen gehen - Kampf um Kassensysteme -
normale Kassen können bleiben]
Die Situation wurde während des Jahres 1938 immer
schlimmer. Im Frühling des Jahres beschloss die rumänische
Regierung, dass alle kooperativen Institutionen in
Regierungskooperativen integriert werden würden. Dies
bedeutete das Ende des Aufbaufonds und der Freien
Kreditkassen. Das Verteilungskomitee JDC und sein Partner
ICA [Jewish Colonization Association] versuchten, diese
Liquidierung abzuwenden, und die ICA erreichte ein
Abkommen mit der britischen Regierung, bei der rumänischen
Regierung zu intervenieren. Das Resultat war die
Verschiebung der Liquidation, die am 1. Juni 1938
vorgesehen war. In der Zwischenzeit ging Alexander A.
Landesco, ein rumänischer Jude und prominentes Mitglied
des Exekutivkomitees des JDC, nach Bukarest, um zu
versuchen, auf die Regierung Einfluss zu nehmen.
Gleichzeitig intervenierte Hyman mit dem rumänischen
Minister in Washington.
Am 16. Juni 1938 telegraphierte Landesco von Bukarest aus:
"Liquidierung Kooperativen Rumänien um ein Jahr
verschoben." Aber am 23. Juni, kam Militia Constantinescu,
der Minister, mit dem Landesco verhandelt hatte, auf sein
Wort zurück und erklärte, dass die Liquidierung bald
beginnen würden. Die Liquidatoren waren in Tat und
Wahrheit auf den 28. Juni bestellt.
Die Jüdische Kolonisationsgesellschaft ICA und das JDC
versuchten erneut, irgendwie die Rumänen zu beeinflussen.
Das Aussenministerium wurde um Intervention gebeten. Am
21. Juli schrieb James C. Dunn vom Aussenministerium an
Hyman, dass (S.216)
die Rumänen den amerikanischen Vertretern in Bukarest
berichtet hätten, dass Landesco die rumänischen Minister
"missverstanden" habe: Constantinescu hatte nicht eine
Verschiebung von einem Jahr gemeint, sondern ein Jahr Zeit
für die Kooperativen zur Liquidation. Da die rumänische
Regierung für dieses grosszügige Angebot keine sofortige
Antwort erhalten habe, sei das Angebot nun zurückgezogen
worden und würde die Kooperativen wie verlangt mittels der
neuen Gesetze liquidieren. Der Briefwechsel mit dem
Aussenministerium ging bis in den August weiter, aber das
Aussenministerium neigte nun dazu, den JDC zu
beschuldigen, nicht sofort das rumänische Angebot
akzeptiert zu haben, und verweigerte jegliche weitere
Schritte in dieser Sache. Glücklicherweise wurden
Überbleibsel der rumänischen Kassen im März 1939 durch
eine Entscheidung des Rumänischen Kassationshofs gerettet.
(Endnote 81: ebenda
[-- 48-Gen. & Emerg. Rumänien, generell, 1938-39,
4/28/38 [28. April 1938];
-- Bericht von Kahn und Schweitzer an einer Sitzung in
Bukarest]
-- über die Korrespondenz mit dem Aussenministerium im
Juni und August 1938. Siehe speziell 5/27/38 [27. Mai
1938], Memorandum von Paul Baerwald. Exekutivkomitee,
5/19/39 [19. Mai 1939], Bericht von Hyman).
[1938: Rumänien: Alle
denationalisierten Juden werden Ausländer: ungefähr
150.000]
In der Zwischenzeit schritt die Denationalisierung voran.
Zwei Dekrete vom 15. September und 2. Dezember 1938
sorgten dafür, dass explizit
alle denationalisierten Juden fortan wie
Ausländer behandelt werden und dass sie
Identifikationszertifikate besitzen müssen, die ihnen
erlauben, für ein Jahr in Rumänien zu wohnen. Keine
Handelserlaubnis, Industrieerlaubnis, oder Fachberufe
würden solchen Personen normalerweise bewilligt. Die durch
diesen Beschluss betroffene Anzahl betroffener Personen
belief sich in der Nachbarschaft auf 150.000.
(Endnote 82: ebenda; Memorandum betreffs Legalisierung der
sozialen Wohlfahrtsaktivitäten in Rumänien, 3/1/39 [1.
März 1939])
[Die jüdischen
Organisationen schliessen]
Als Folge der drakonischen Gesetze wurde allen jüdischen
Organisationen mit politischem Charakter die Schliessung
befohlen. Dies betraf die Rumänisch-jüdische Union und die
Jüdisch-politische Partei (Volkspartei).
[Sprachenterror gegen
Juden]
In gewissen Gebieten des Landes wurde es Juden verboten,
jede andere Sprache als Rumänisch zu sprechen, auch wenn
Rumänisch in den Gebieten nicht Umgangssprache war.
[Auswanderungsterror ohne
organisierte Auswanderung - Memorandum von Noel
Aronovici]
Die ökonomische und politische Verbannung der Juden
erreichte ungeahnte Verhältnisse. Die einzige
Organisation, die noch erlaubt sein würde, so erklärte der
Aussenminister, wäre ein Komitee für die Auswanderung der
Juden.
(Endnote 83: ebenda)
Die rumänischen Politiker begannen nun, als Parallele zur
Entwicklung in Polen, eine intensivierte
Propagandakampagne für jüdische Auswanderung. Es wurde zur
illegalen Einwanderung nach Palästina ermuntert, und es
wurden weitere Erklärungen zugunsten der jüdischen
Auswanderung gemacht.
Das JDC, überlastet durch die Auswirkungen der
Nazi-Expansion beim zentraleuropäischen (S.217)
Judentum und tief beunruhigt über das Schicksal des
polnischen Judentums, und selber von der Ausweisung
bedroht, wusste nicht, wie es mit der rumänischen
Situation fertigwerden sollte. Ein Memorandum von Noel
Aronovici, selbst ein rumänischer Jude, schlug Gegenmittel
in mehr oder weniger traditioneller Art und Weise vor:
mehr Lehrlingsheime, Berufsausbildungen, die Einrichtung
Freier Kreditkassen (trotz der Tatsache, dass die
existierenden im Begriff waren, geschlossen zu werden),
und Kinderhilfe.
(Endnote 84: R11, Memorandum vom Dezember 1938)
[1937-1939: Nicht viel
Hilfe des JDC möglich]
In der Tat gab es nur wenig, das das JDC in dieser
Situation tun konnte, ausser seine Hilfe in der Form der
leicht verdeckten Hilfe zu leisten, bis die allgemeine
Situation sich bessern würde. Versuche durch den Jüdischen
Weltkongress, die öffentliche Meinung durch politische
Aktionen beim Völkerbund aufzurütteln, hatten keinen
grösseren Erfolg.
(Endnote 85: Der Jüdische Weltkongress WJC gab ein scharf
formuliertes Memorandum heraus, das an ein Unterkomitee
des Völkerbundes gerichtet war, mit dem Appell, Klagen in
Hinsicht der Juden in Rumänien zu untersuchen, 3/1/39 [1.
März 1939])
[Es ergibt sich derselbe Verdacht wie in Polen: Die
jiddischsprechenden Juden in Rumänien sollen ausgerottet
werden, und die deutschen Juden können nach Palästina, um
einen neuen israelischen Staat zu gründen. Und dies wurde
von den Zionisten so geregelt].
Joseph C. Hyman drückte das Gefühl der Angst und des
Fehlens einer realen Hoffnung wurde in der Rede vom
September 1938 aus, als er erklärte: "Während wir hier
sitzen und über Budgets reden, über Quoten, über Abkommen
zu Kampagnen, ergiesst sich eine erbarmungslose Sturzflut,
die alles wegschwemmt, an was unsere Brüder geglaubt
haben, gebetet haben, gekämpft haben, und während ihrer
Existenz aufgebaut haben."
(Endnote 86: Rede von Joseph C. Hyman und dem Nationalen
Rat des JDC, 9/18/38 [18. September 1938])
Das JDC versuchte sein Bestes, die Flut aufzuhalten, aber
jene, die sein Schicksal führten, waren sich wohl bewusst,
dass die Situation nicht nur hoffnungslos war, sondern
dass in diesem Land auch die Basis des Humanismus und der
liberalen Philosophie weggeschwemmt wurden, die Basis, auf
der das JDC sich selbst gründete.
Schlussendlich begann die katastrophale Situation die
örtlichen Juden dazu zu zwingen, sich zusammenzutun, wie
in Polen. Im Jahr 1939 versuchte das JDC, ein
Zentralkomitee der rumänischen Juden einzurichten, wie in
Polen, vorerst aus wirtschaftlichen Gründen. Aber die
Verhandlungen in Rumänien kamen nicht voran und blieben in
einem Vorstadium stecken. Das war nun nicht mehr wie in
Polen. Als der Krieg ausbrach, hatte sich nichts
verändert.
(Endnote 87: 48-Gen. & Emerg. Rumänien, generell,
Troper an das JDC, New York, 1/13/39 [13. Januar 1939])