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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939

[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 5. Der Vorlauf zum Holocaust
[B. Die Zerstörung des jüdischen Lebens in Rumänien 1929-1939]

[5.17. Nationalisierungsgesetze - Auswanderungsterror ohne organisierte Auswanderung 1938]

[1938: Nationalisierung aller kooperativen Institutionen - Aufbaufond und Freie Kreditkassen müssen gehen - Kampf um Kassensysteme - normale Kassen können bleiben]

Die Situation wurde während des Jahres 1938 immer schlimmer. Im Frühling des Jahres beschloss die rumänische Regierung, dass alle kooperativen Institutionen in Regierungskooperativen integriert werden würden. Dies bedeutete das Ende des Aufbaufonds und der Freien Kreditkassen. Das Verteilungskomitee JDC und sein Partner ICA [Jewish Colonization Association] versuchten, diese Liquidierung abzuwenden, und die ICA erreichte ein Abkommen mit der britischen Regierung, bei der rumänischen Regierung zu intervenieren. Das Resultat war die Verschiebung der Liquidation, die am 1. Juni 1938 vorgesehen war. In der Zwischenzeit ging Alexander A. Landesco, ein rumänischer Jude und prominentes Mitglied des Exekutivkomitees des JDC, nach Bukarest, um zu versuchen, auf die Regierung Einfluss zu nehmen. Gleichzeitig intervenierte Hyman mit dem rumänischen Minister in Washington.

Am 16. Juni 1938 telegraphierte Landesco von Bukarest aus: "Liquidierung Kooperativen Rumänien um ein Jahr verschoben." Aber am 23. Juni, kam Militia Constantinescu, der Minister, mit dem Landesco verhandelt hatte, auf sein Wort zurück und erklärte, dass die Liquidierung bald beginnen würden. Die Liquidatoren waren in Tat und Wahrheit auf den 28. Juni bestellt.

Die Jüdische Kolonisationsgesellschaft ICA und das JDC versuchten erneut, irgendwie die Rumänen zu beeinflussen. Das Aussenministerium wurde um Intervention gebeten. Am 21. Juli schrieb James C. Dunn vom Aussenministerium an Hyman, dass (S.216)

die Rumänen den amerikanischen Vertretern in Bukarest berichtet hätten, dass Landesco die rumänischen Minister "missverstanden" habe: Constantinescu hatte nicht eine Verschiebung von einem Jahr gemeint, sondern ein Jahr Zeit für die Kooperativen zur Liquidation. Da die rumänische Regierung für dieses grosszügige Angebot keine sofortige Antwort erhalten habe, sei das Angebot nun zurückgezogen worden und würde die Kooperativen wie verlangt mittels der neuen Gesetze liquidieren. Der Briefwechsel mit dem Aussenministerium ging bis in den August weiter, aber das Aussenministerium neigte nun dazu, den JDC zu beschuldigen, nicht sofort das rumänische Angebot akzeptiert zu haben, und verweigerte jegliche weitere Schritte in dieser Sache. Glücklicherweise wurden Überbleibsel der rumänischen Kassen im März 1939 durch eine Entscheidung des Rumänischen Kassationshofs gerettet.

(Endnote 81: ebenda
[-- 48-Gen. & Emerg. Rumänien, generell, 1938-39, 4/28/38 [28. April 1938];
-- Bericht von Kahn und Schweitzer an einer Sitzung in Bukarest]
-- über die Korrespondenz mit dem Aussenministerium im Juni und August 1938. Siehe speziell 5/27/38 [27. Mai 1938], Memorandum von Paul Baerwald. Exekutivkomitee, 5/19/39 [19. Mai 1939], Bericht von Hyman).

[1938: Rumänien: Alle denationalisierten Juden werden Ausländer: ungefähr 150.000]

In der Zwischenzeit schritt die Denationalisierung voran. Zwei Dekrete vom 15. September und 2. Dezember 1938 sorgten dafür, dass explizit alle denationalisierten Juden fortan wie Ausländer behandelt werden und dass sie Identifikationszertifikate besitzen müssen, die ihnen erlauben, für ein Jahr in Rumänien zu wohnen. Keine Handelserlaubnis, Industrieerlaubnis, oder Fachberufe würden solchen Personen normalerweise bewilligt. Die durch diesen Beschluss betroffene Anzahl betroffener Personen belief sich in der Nachbarschaft auf 150.000.

(Endnote 82: ebenda; Memorandum betreffs Legalisierung der sozialen Wohlfahrtsaktivitäten in Rumänien, 3/1/39 [1. März 1939])

[Die jüdischen Organisationen schliessen]
Als Folge der drakonischen Gesetze wurde allen jüdischen Organisationen mit politischem Charakter die Schliessung befohlen. Dies betraf die Rumänisch-jüdische Union und die Jüdisch-politische Partei (Volkspartei).

[Sprachenterror gegen Juden]
In gewissen Gebieten des Landes wurde es Juden verboten, jede andere Sprache als Rumänisch zu sprechen, auch wenn Rumänisch in den Gebieten nicht Umgangssprache war.

[Auswanderungsterror ohne organisierte Auswanderung - Memorandum von Noel Aronovici]

Die ökonomische und politische Verbannung der Juden erreichte ungeahnte Verhältnisse. Die einzige Organisation, die noch erlaubt sein würde, so erklärte der Aussenminister, wäre ein Komitee für die Auswanderung der Juden.

(Endnote 83: ebenda)

Die rumänischen Politiker begannen nun, als Parallele zur Entwicklung in Polen, eine intensivierte Propagandakampagne für jüdische Auswanderung. Es wurde zur illegalen Einwanderung nach Palästina ermuntert, und es wurden weitere Erklärungen zugunsten der jüdischen Auswanderung gemacht.

Das JDC, überlastet durch die Auswirkungen der Nazi-Expansion beim zentraleuropäischen (S.217)

Judentum und tief beunruhigt über das Schicksal des polnischen Judentums, und selber von der Ausweisung bedroht, wusste nicht, wie es mit der rumänischen Situation fertigwerden sollte. Ein Memorandum von Noel Aronovici, selbst ein rumänischer Jude, schlug Gegenmittel in mehr oder weniger traditioneller Art und Weise vor: mehr Lehrlingsheime, Berufsausbildungen, die Einrichtung Freier Kreditkassen (trotz der Tatsache, dass die existierenden im Begriff waren, geschlossen zu werden), und Kinderhilfe.

(Endnote 84: R11, Memorandum vom Dezember 1938)

[1937-1939: Nicht viel Hilfe des JDC möglich]

In der Tat gab es nur wenig, das das JDC in dieser Situation tun konnte, ausser seine Hilfe in der Form der leicht verdeckten Hilfe zu leisten, bis die allgemeine Situation sich bessern würde. Versuche durch den Jüdischen Weltkongress, die öffentliche Meinung durch politische Aktionen beim Völkerbund aufzurütteln, hatten keinen grösseren Erfolg.

(Endnote 85: Der Jüdische Weltkongress WJC gab ein scharf formuliertes Memorandum heraus, das an ein Unterkomitee des Völkerbundes gerichtet war, mit dem Appell, Klagen in Hinsicht der Juden in Rumänien zu untersuchen, 3/1/39 [1. März 1939])

[Es ergibt sich derselbe Verdacht wie in Polen: Die jiddischsprechenden Juden in Rumänien sollen ausgerottet werden, und die deutschen Juden können nach Palästina, um einen neuen israelischen Staat zu gründen. Und dies wurde von den Zionisten so geregelt].

Joseph C. Hyman drückte das Gefühl der Angst und des Fehlens einer realen Hoffnung wurde in der Rede vom September 1938 aus, als er erklärte: "Während wir hier sitzen und über Budgets reden, über Quoten, über Abkommen zu Kampagnen, ergiesst sich eine erbarmungslose Sturzflut, die alles wegschwemmt, an was unsere Brüder geglaubt haben, gebetet haben, gekämpft haben, und während ihrer Existenz aufgebaut haben."

(Endnote 86: Rede von Joseph C. Hyman und dem Nationalen Rat des JDC, 9/18/38 [18. September 1938])

Das JDC versuchte sein Bestes, die Flut aufzuhalten, aber jene, die sein Schicksal führten, waren sich wohl bewusst, dass die Situation nicht nur hoffnungslos war, sondern dass in diesem Land auch die Basis des Humanismus und der liberalen Philosophie weggeschwemmt wurden, die Basis, auf der das JDC sich selbst gründete.

Schlussendlich begann die katastrophale Situation die örtlichen Juden dazu zu zwingen, sich zusammenzutun, wie in Polen. Im Jahr 1939 versuchte das JDC, ein Zentralkomitee der rumänischen Juden einzurichten, wie in Polen, vorerst aus wirtschaftlichen Gründen. Aber die Verhandlungen in Rumänien kamen nicht voran und blieben in einem Vorstadium stecken. Das war nun nicht mehr wie in Polen. Als der Krieg ausbrach, hatte sich nichts verändert.

(Endnote 87: 48-Gen. & Emerg. Rumänien, generell, Troper an das JDC, New York, 1/13/39 [13. Januar 1939])








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