[B. Die
Zerstörung des jüdischen Lebens in Rumänien 1929-1939]
5.13. Rumänien [Codreanu - Tartarescu - Goga]
[Ab 1919 und ab 1929: Die
Entwicklung in Rumänien ist wie in Polen]
Die Situation der Juden in Osteuropa ausserhalb Polens war
der jüdischen Lage in Polen ähnlich. Rumänien bewegte sich
in dieselbe Richtung wie Polen, was die Situation generell
und die jüdische Situation im Speziellen anging.
[Die Wirtschaft Rumäniens wurde 1919 vom
mitteleuropäischen Markt abgeschnitten, als das
österreichische Imperium in Stücke zerteilt wurde. So war
keine Entwicklung möglich, und zusätzlich zum
Nationalismus wurde die Minderheit der Juden beschuldigt
für die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich zu
sein, wie in Polen...]
[Codreanu - Tartarescu -
Goga]
Die rumänische, faschistische Bewegung, bekannt als die
Eiserne Garde, wurde stärker. Unter ihrem Führer, Corneliu
Zelea-Codreanu, begann sie eine gewalttätige Kampagne
(S.209)
die im Dezember 1933 in der Ermordung des Premierministers
der liberalen Partei gipfelte. Von diesem Moment an ging
die rumänische Demokratie, die nie sehr stark war, ihrem
Untergang entgegen.
Bis 1937 waren die Liberalen unter Tartarescu an der
Macht, aber ihre Politik wurde unter dem Druck der rechten
Oppositionsgruppen unter dem Einfluss des
Faschistenführers Octavian Goga mehr und mehr rechts und
antisemitisch. Eine Stütze des Regimes gegen eine rechte
Regierungsübernahme war König Carol, obwohl auch er
eigentlich auch eine diktatorische Gesetzgebung anstrebte
und - ohne Erfolg - im Mai 1934 versucht hatte, in einem
Putsch die absolute Macht zu übernehmen.
Die Tatsache, dass seine Geliebte, Madame Lupescu,
jüdischer Abstammung war, liess die antisemitische
Tendenzen anwachsen, wegen der fast universellen
Abneigung, mit der das Liebesabenteuer des Königs
betrachtet wurde. Trotz all dem konnte bis Dezember 1937
der Schein einer demokratischen Demokratie
aufrechterhalten werden, als die Niederlage der Liberalen
einen scharfen Wechsel zu den Rechten und den Aufstieg von
Goga mit sich brachte.
[Juden in Rumänien:
Zahlen]
Die Anzahl Juden, die in Rumänien lebten, war eine
Streitfrage. Rumänische Quellen tendierten, ihre
Schätzungen zu übertreiben, um den angeblich übermässigen
Einfluss der jüdischen Bevölkerung im Land zu beweisen. In
der Tat zeigte die Volkszählung vom Jahre 1930, dass
728.000 Juden in Rumänien lebten. Eine Untersuchung über
die jüdische Staatsangehörigkeit im Jahre 1939 zeigte,
dass es 662.244 Juden waren. Sogar wenn wir annehmen, dass
es einigen Juden gelang, sich der Volkszählung zu
entziehen, um sich vor dem Entzug der Staatsbürgerschaft
zu schützen,
(Endnote 70: New York Times, 11/26/39 [26. November 1939])
so konnten es in diesem Jahr nicht mehr als 700.000 Juden
in Rumänien sein. Die Zahl 760.000, die in jüdischen
Quellen normalerweise genannt wird, widerspiegelte das
absolute Maximum und war wahrscheinlich übertrieben.
[Ergänzung: Die Anzahl Juden in Rumänien ist generell von
der Grenzziehung des Landes abhängig. Vor 1919 ist
Rumänien ein kleines Land, 1920 wird Rumänien ein
Grossreich mit Transilvanien (Siebenbürgen) und
Bessarabien. 1941 wiederum wird ein Teil von Transilvanien
(Siebenbürgen) Ungarn angegliedert, und 1945 wird Rumänien
ein mittelgrosser Staat mit Transilvanien (Siebenbürgen),
aber ohne Bessarabien. Und eine kleine Grenzkorrektur mit
Bulgarien im Donaudelta ist ebenso zu berücksichtigen].
[Die Struktur der
jüdischen Gemeinden in Rumänien - Armut in
Transilvanien, Bukowina und in Bessarabien]
Die jüdischen Gemeinden im ganzen Land unterschieden sich
sehr voneinander. Während die Juden in Bukarest und in
einigen Teilen der Walachei, in Moldawien und im zentralen
Transilvanien [Siebenbürgen] zumindest zum Teil
verwestlicht waren und die religiöse Lebensführung hinter
sich gelassen hatten, so lebten andere gut innerhalb der
strengen Sphäre der Orthodoxie. In Nord-Transilvanien, um
Satu-Mare, Máramarossziget, und Brasow lebte eine von der
Armut getroffene jüdische Bevölkerung und schrie (S.210)
nach Hilfe, wie das Verteilungskomitee sie bieten konnte.
[Ergänzung: Es kann angenommen werden - es wäre nur
logisch - dass die Juden im ungarischen Transilvanien von
den Verbindungen zu Ungarn abgetrennt worden sind, so dass
sie die Märkte für ihre Waren verloren haben. Dieselbe
Verarmung kann auch für die deutsche Bevölkerung
angenommen werden, die dort lebte].
In Bessarabien, und in einem gewissen Masse auch in der
Bukowina, entwickelte sich eine ähnliche Situation. In
Bessarabien gab es eine ziemlich grosse jüdische
Bevölkerung in der Landwirtschaft (ungefähr 40.000
Personen), die mit primitiven landwirtschaftlichen
Methoden arbeiteten und in Dürrejahren oft durch Hunger
bedroht waren.
In Rumänien, wie in Polen, war das JDC fähig, seine
Leistungen im Verlauf der 1930er Jahre zu steigern. Von
den verfügbaren Summen wurde ungefähr ein Drittel dafür
verwendet, Kindern in vom Hunger befallenen Gebieten zu
Essen zu geben, und Sommerlager abzuhalten, weil Kahn
glaubte, dass solche Lager eine primäre Aufgabe innerhalb
der Aufbauarbeit waren.