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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939


[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 5. Der Vorlauf zum Holocaust
[A. Die Zerstörung der jüdischen Existenz in Polen 1929-1939]

[5.7. Pläne für die Auswanderung des polnischen Judentums in die Sowjetunion und nach Madagaskar]

[1936 ca.: Pläne für eine jüdische Auswanderung in die Sowjetunion und nach Madagaskar]

Im Frühjahr 1937 änderte das Verteilungskomitee JDC seine Haltung gleich noch einmal, weil es damals den Anschein hatte, als ob ein ausführbarer Auswanderungsplan existieren würde. Wir haben gesehen, dass Joseph A. Rosen versuchte, die Auswanderung der deutschen und polnischen Juden in die Sowjetunion [nach Birobidschan] zu organisieren. Gleichzeitig schien am Horizont auch ein anderer Plan für eine Massenauswanderung aufzutauchen - nach Madagaskar.

[Chlapowski: Madagaskar ist für Polen nicht gut genug - aber gut genug für Juden]

Polnische Interessen auf dieser tropischen Insel, die unter französischem Gesetz stand, waren nun wirklich neu. Im Jahr 1926 hatte der polnische Botschafter in Frankreich, Graf Chlapowski, die Möglichkeit untersucht, polnische Bauern dort hin auswandern zu lassen, aber die Informationen bezüglich des Klimas und der Bodenbedingungen überzeugten ihn, dass dies ausser Frage stand. Nichtsdestotrotz sollte es, wenn das nicht gut genug für die Polen war, so sollte es doch gut genug für die Juden sein.

[Jüdische Mission in Madagaskar - keine Möglichkeit für eine Masseneinwanderung in Madagaskar]

Die französische Regierung war recht gewillt, die europäische Einwanderung nach in das Malagasy-Hochland zu fördern, und die Polen sandten eine Mission unter Major Lepecki dort hin; in dieser Mission waren auch zwei Juden. Der Bericht von Lepecki war aber nicht vorteilhaft, und die zwei jüdischen Mitglieder berichteten, dass "keine Möglichkeit für eine Masseneinwanderung nach Madagaskar besteht."

(Endnote 44: Marcell Olivier: Madagascar - Terre d'Asile? ["Madagaskar - Asylland?"]; Illustration, 19. Februar 1938, S. 197-98)

[1937: Die französische Regierung unterstützt den Madagaskar-Plan - der polnische, antisemitische Aussenminister Beck präsentiert seinen Plan]

Das französische Kolonialbüro begann trotzdem, mit seinen eigenen Gründen, auf das Verteilungskomitee JDC Druck auszuüben, um für jüdische Ansiedlungen in Madagaskar oder in anderen französischen Kolonien Unterstützung zu gewähren. Im Juni wurden Rosen und Kahn durch das Kolonialbüro empfangen, und sie wurden des französischen Interesses und der Kooperation versichert. Trotz des Lepecki-Berichts diskutierte der polnische Aussenminister Józef Beck das Problem in Frankreich und schlug eine jährliche jüdische Auswanderung von 30.000 Familien vor, oder 120.000 Familien innerhalb von 5 bis 6 Jahren (ungefähr 500.000-600.000 Personen).

(Endnote 45: ITA, 12/6/37 [6. Dezember 1937]; 44-29 Rosen und Kahn an Liebman, 6/12/37 [12. Juni 1937])

Rosen dachte, dass Madagaskar Möglichkeiten bot, und er wollte eine unabhängige JDC-Kommission, die an Ort und Stelle die Insel untersuchen sollte. Versuchsweise gab das JDC für eine solche Kommission 12.000 $ frei, aber sie wurde nie aufgestellt.

(Endnote 46: CON-2, 8/18/36 [18. August 1936], Rosen an Lehman)

Die konkreten Resultate von all diesen Entwicklungen waren praktisch Null. Trotz der Haltungsänderung auf Seiten des JDC und der grossen Notwendigkeit (S.193)

des polnischen Judentums, aus Polen zu fliehen, so wanderten im Jahr 1937 nicht mehr als 8861 Juden aus, von denen 3423 nach Palästina gingen.

(Endnote 47: 44-29, HICEM Bericht)

[Dies ist die offizielle Auswanderungszahl. Die illegale Auswanderung ist nicht mitgezählt. Die totale Auswanderung aus Polen für die 1930er Jahre wird von Graml auf 100.000 jährlich geschätzt;
In: Hermann Graml: Die Auswanderung der Juden aus Deutschland zwischen 1933 und 1939; Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte; im Selbstverlag des Instituts für Zeitgeschichte. München 1958, S.79-84; Tel.: 0049-(0)89-12688-0].

Diese Auswanderung war beträchtlich weniger als die Geburtenrate im polnischen Judentum,

(Endnote 48: ungefähr 30.000 pro Jahr)

und die Polen mussten das leuchtende Beispiel von Nazi-Deutschland mitansehen, wie es dort gelang, eine grosse Anzahl Juden aus dem Land zu treiben.

[Ergänzung: Es ist bewiesen, dass jüdisch-zionistische Organisationen die Auswanderung der deutschen Juden nach Palästina gut organisiert hatten, und dass die jiddisch sprechenden polnischen Juden vernichtet werden sollten, weil Jiddisch im Heiligen Land nicht gesprochen werden sollte].







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