Kontakt / contact     Hauptseite / page
            principale / pagina principal / home     zurück / retour / indietro / atrás / back
zurück / retour / indietro / atrás / backvoriges     nächstesnext
ENGL

Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939


[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

Teilen:

Facebook








Kapitel 5. Der Vorlauf zum Holocaust
[A. Die Zerstörung der jüdischen Existenz in Polen 1929-1939]

[5.6. Jüdische Stimmen sagen, Palästina sei keine Lösung - blockierte Zionisten ab 1935 durch die britische Blockade der Einwanderung nach Palästina - unrealistische Standpunkte]

[Die links-jüdischen Bundisten (Antizionisten) sagen, dass die Auswanderung nach Palästina keine Lösung sei - offiziell wandern 1935 30.703 polnische Juden aus, 24.300 nach Palästina im Jahr 1935 - keine Zählung der inoffiziellen Auswanderung]

Neben den offensichtlichen Schwierigkeiten, jüdische Auswanderer irgendwo in der Welt unterzubringen, gab es eine ideologische Tendenz, die Juden als loyale Bürger zu betrachten, und als absolut integrierte Mitglieder ihrer verschiedenen Geburtsnationalitäten, denn so war es auch für die JDC-Führer mit ihren Erfahrungen in Amerika gewesen. Diese Führer also lehnten Palästina sogar als eine Teillösung für die Lösung des polnisch-jüdischen Problems ab, obwohl im Jahre 1935 24.300 der insgesamt 30.703 auswandernden Juden nach Palästina auswanderten.

[Das ist die offizielle Zahl der Auswanderung. Die nicht-offizielle Auswanderung ist nicht gezählt und kann nur geschätzt werden. Graml schätzt in seiner Studie, dass in den 1930er Jahren jährlich ungefähr 100.000 polnische Juden ausgewandert sind;

In: Hermann Graml: Die Auswanderung der Juden aus Deutschland zwischen 1933 und 1939; Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte; im Selbstverlag des Instituts für Zeitgeschichte. München 1958, S.79-84; Tel.: 0049-(0)89-12688-0].

[1936: George Backer sagt ebenso, dass die Auswanderung nach Palästina keine Lösung sei]

In den 1930er Jahren war George Backer eine der zentralen Figuren im JDC in New York, die in der Anti-Nazi-Politik der USA sehr aktiv war. Er war auch den Angelegenheiten mit Palästina gegenüber ziemlich freundlich gestimmt. Er erklärte im Jahr 1936 sogar, dass es nutzlos sei, Palästina zu glorifizieren, "bis die Struktur des jüdischen Lebens in anderen Ländern gesichert sei."

(original:
In the 1930s one of the central figures in JDC in New York was George Backer, who was very active in anti-Nazi politics in the United States and was also fairly friendly toward Palestine causes. Even he declared in 1936 that there was no use in glorifying Palestine "until the structure of Jewish life in other countries has been saved.")

(Endnote 37: R15-Backer Bericht, 4/27/36 [27. April 1936])

[1935: Zionisten werden durch die britische Blockade der jüdischen Einwanderung nach Palästina behindert]

Die Zionisten argumentierten, dass das jüdische Leben in Polen einfach nicht zu retten war. Gleichzeitig wurden sie aber durch die Tatsache eingeschränkt, dass die Briten die Türen von Palästina den Juden nach 1935 immer mehr verschlossen. Somit war Palästina keine unmittelbare Lösung mehr. Als Simon Marks von England im Jahr 1937 versuchte, dort für das polnische Judentum Spenden zu sammeln, und beabsichtigte, diese Gelder "der Hechalutz und zionistischen Gruppen" zukommen zu lassen, bemerkte Kahn, dass "dies gerade diejenigen Leute seien, die in unserer Arbeit nicht sehr bekannt geworden sind".

(Endnote 38: 44-3-Kahn an Baerwald, 1/17/37 [17. Januar 1937])

[1935: Schärfere Massnahmen der antisemitischen Regierung in Polen]

Nach 1935 kam es in der Haltung des JDC zu einem allmählichen Wandel. Die Hauptgründe dafür waren:

(1) Polnische Juden (eigentlich der zionistische Führer Yitzhak Gruenbaum) erklärten selbst, dass eine Million polnische Juden auswandern sollte; und

(2) die polnische Regierung übte einen immer stärker werdenden Druck gegen die polnischen Juden und gegen die internationalen Körperschaften aus, die den Juden zur Auswanderung verhalf.

Das Verteilungskomitee widerstand diesen Forderungen; Hyman beklagte sich speziell über (S.191)

die Tatsache, dass die Juden selbst zum Ausdruck brachten, was die "Forderung der Vertreibung von Millionen" schlussendlich bedeutete.

(Endnote 39: R13, Hyman an das Budget- und Bereichsleitungskomitee (Budget and Scope [committee]), 6/27/37 [27. Juni 1937])

[Unrealistische Standpunkte:

Linke Bundisten behaupten, dass Juden Ausländer seien]


Arbeiterführer, die dem Bund nahestanden, waren noch deutlicher. In Polen erklärte der Bund selbst seinen Widerstand gegen die Erklärung, dass Juden ein ausländisches Volk in ihren Siedlungsländern seien;

(Endnote 40: Jewish Chronicle, 5/15/36 [15. Mai 1936], S.19)

[Das unrealistische Element dieses Standpunktes: Jude zu sein ist eine Religion und keine Nation].

[Vladeck stellt fest, dass das Problem in Polen gelöst werden müsste]
in den USA schrieb Vladeck in der jiddisch-sozialistischen Zeitung Forverts, dass "wenn man die Existenz der polnischen Juden in Polen ermöglichen will, so muss man aufhören, Palästina als die Lösung ihres Problems anzusehen. ...

Sie müssen ihre Aktivitäten einem gesunden , freien und besseren Polen widmen - nicht Palästina."

[Das unrealistische Element dieses Standpunktes: Die antisemitische polnische Regierung wird nicht nachgeben].

[Asch behauptet, 3 Millionen Juden können nicht auswandern]

Sholem Asch war sicher, dass, wenn die polnische Regierung realisierte, dass 3 Millionen Juden nicht auswandern können, und dass eine wirtschaftliche Besserung für alle polnischen Bürger das Ziel sein sollte, so könnten die Juden die Juden erfolgreich ihre Positionen als Bürger in Polen behalten.

(Endnote 41:
-- Executive Committee, 5/18/37 [18. Mai 1937].
-- Hyman to Oscar Janowsky, 11/24/37 [24. November 1937],
-- R13)

[Das unrealistische Element dieses Standpunktes: Polen braucht eine Mitgliedschaft in einem Wirtschaftsbündnis, um seine Wirtschaft zu verbessern, weil die einstigen russischen und ungarisch-österreichischen Absatzmärkte seit 1919 blockiert sind].

[Hyman vom JDC meint, es braucht ein liberales und tolerantes Gesellschaftssystem]

Dies wurde von Hyman gehört, der hoffte, dass die Situation in Polen "nur vorübergehend war und die Rückkehr zu einer Demokratie und zu liberalen Idealen bald vollzogen sein würde." Er glaubte noch daran, einen Weg zu finden, "die Juden in ihre Umgebung zu integrieren, unter einem liberalen und toleranten Gesellschaftssystem."

[Das unrealistische Element dieses Standpunktes: Die antisemitische polnische Regierung wird nicht nachgeben, und ein liberales und tolerantes Gesellschaftssystem kann man nicht haben, wenn die Wirtschaft am Boden liegt].

[Frühjahr 1936: Die polnische Regierung fordert die Auswanderung aller Juden]

Als die britische Delegation von Lord Samuel, Lord Bearsted und Simon Marks im Frühjahr 1936 in die USA kamen, um die Auswanderung des deutschen Judentums zu diskutieren, nahmen Kreise der polnischen Regierung die Gelegenheit wahr, um ihre Forderungen nach einer Massenauswanderung der polnischen Juden zu präsentieren. Prinz Radziwill brachte die Forderung im frühen Februar [1936] im polnischen Senat zum Ausdruck.

[Okt 1936: Der polnische Delegierte am Völkerbund appelliert für die Öffnung anderer Länder für die Juden]

Im Oktober forderte der polnische Delegierte an der 6. Kommission des Völkerbunds, dass andere Länder als Palästina für die Einwanderung der europäischen Juden geöffnet werden sollten, was auch den polnischen Juden eine Auswanderung ermöglichen würde.

(Endnote 42:
-- 46-Berichte 1936/7, Oktober 1936 (der Delegierte hiess Tytus Komarinski);
-- und: ITA, 12/12/36 [12. Dezember 1936])

[Kahn ist gegen eine einseitige Auswanderung]

Es wurde ein Schema für eine jährliche Auswanderung von 18.000 diskutiert. Kahn reagierte sofort und stellte in einer Pressemitteilung fest, dass das Schema "unüberlegt" war, dass es im Prinzip falsch sei, "Juden für eine solche Auswanderung auszusuchen", und dass dies eine "Diskriminierung gegen die gesetzestreuen jüdischen Bürger war, die (er) in Polen nicht für möglich hielt."

(Endnote 43: R14, Pressemitteilung, 2/1/36 [1. Februar 1936])

Dies wurde nun langsam immer mehr die zweite Verteidigungslinie des JDC: Offensichtlich war hier ein Fall für eine angeordnete Auswanderung (S.192)

aus Polen vor, aber Juden sollten nicht ausgewählt werden. Innerhalb eines angeordneten Auswanderungsprogramm würden die Juden ihren Anteilen nach berücksichtigt werden.







^