[4.3.
Deutschland blockiert den Völkerbund - Gründung einer
High Commission (Hochkommission) für jüdische
Flüchtlinge]
[29. Sep 1933:
Völkerbund-Sitzung mit Vorschlägen für jüdische
Flüchtlinge - Deutschland blockiert - Beschluss für eine
Kommission ausserhalb des Völkerbundes]
Am 29. September [1933] währen der 73. Sitzung des
Völkerbundes in Genf machte der holländische
Aussenminister, de Graaf, einen Appell an das zweite
Komitee der Völkerbundsversammlung, den deutschen
Flüchtlingen zu helfen. Geld, dachte er, könnte vielleicht
von jüdischen Organisationen kommen, aber es war
organisierte, internationale Hilfe nötig. Zu diesem
Zeitpunkt jedoch war Deutschland immer noch Mitglied im
Völkerbund und drohte, jeden Vorschlag zur Gründung einer
Völkerbundskommission für deutsche Flüchtlinge mit dem
Veto zu blockieren. Einmütigkeit war aber eine Bedingung
für Entscheidungen des Völkerbundes, und deshalb waren die
Deutschen nun fähig, alle Massnahmen effektiv zu
blockieren. Mehrere der kleineren Nationen schlugen vor,
dass eine Kommission aufgestellt werden sollte, die aber
technisch gesehen ausserhalb des Völkerbundes fungieren
würde. Am 11. Oktober [1933] wurde diesbezüglich im
Völkerbund eine Resolution verabschiedet.
[Koordination mit den
"USA" für eine internationale Kommission]
Es war von Beginn an offensichtlich, dass jegliche
internationale Kommission dieser Art auch Vertreter der
USA beinhalten musste, wenn etwas Effektives damit
erreicht werden sollte. Die Holländer hatten sich am 28.
September in der Schweiz auch tatsächlich mit den
amerikanischen Vertretern zusammengetan, der Tag vor ihrem
abgelehnten Vorschlag im Völkerbund, und hatten bei ihnen
um Hilfe für die Aufstellung einer Kommission gebeten.
(Endnote 7: Foreign Relations of the United States
[Aussenbeziehungen der USA] (1933), 3.366)
Die amerikanisch-jüdischen Organisationen waren an einer
solchen Kommission sehr interessiert, die den Flüchtlingen
internationale Hilfe zuteil werden lassen würde (S.141)
und es war ihnen auch bewusst, dass der Erfolg einer
solchen Kommission auch von der Persönlichkeit abhängen
würde, von der sie geführt würde. Deswegen, schrieb am 18.
Oktober Henry Morgenthau Senior an den Aussenminister
Cordell Hull den Vorschlag, dass James G. McDonald, seit
1918 ein respektiertes Mitglieder des Personals der New
York Times von der Aussenpolitischen Gesellschaft, dazu
nominiert würde. Bezeichnenderweise fügte er hinzu, dass
dieser Vorschlag die Unterstützung von beiden
amerikanisch-jüdischen Komitees hätte, vom
Amerikanisch-Jüdischen Komitee (American Jewish Committee)
und vom Verteilungskomitee JDC.
(Endnote 8: WYC, Box 303 (b), Morgenthau an Hull, 10/18/33
[18. Oktober 1933])
[McDonald wird als
Hochkommissar für die Flüchtlinge (Juden und andere) aus
Deutschland nominiert]
Die Unterstützung der beiden eng befreundeten Agenturen
war überhaupt nicht überraschend. Die Times war im Besitz
von jüdischen Liberalen der alten Schule, und McDonald,
ein aufrichtiger Christ und Humanist, hatte sich den
Respekt der Juden und gleichzeitig der Nichtjuden
erworben. Zudem war er aber ein persönlicher Freund von
Felix M. Warburg, und Warburg hatte offensichtlich seine
Kandidatur mit Morgenthau unterstützt. In seinem Brief an
Roosevelt vom 19. Oktober [1933] sagte Hull, dass er
denke, dass tatsächlich ein Amerikaner für den Posten
vorgeschlagen werden sollte, aber er selbst war in
keinster Weise enthusiastisch über die amerikanische
Verstrickung in diese grundsätzlich europäische
Angelegenheit. Im Falle, dass der Präsident anders denken
würde, schlug Hull eine Reihe prominenter Amerikaner vor,
die für den Fall sonst noch in Frage kämen; McDonalds Name
war nicht darunter - offensichtlich hat Morgenthaus Brief
entweder Hull nicht erreicht, oder wurde ignoriert. Und
ausserdem dachte Roosevelt in der Tat anders, und McDonald
wurde für den Posten zum
"Hochkommissar
für Flüchtlinge (jüdische und andere) aus Deutschland"
nominiert, und am 26 Oktober wurde er dazu vom Völkerbund
bestimmt.
[Strukturen der
Hochkommission ("High Commission")]
Zwölf Mitgliederstaaten bildeten den führenden Apparat der
Hochkommission, unter Vorsitz von Viscount Cecil von
Chetwood. Die USA wurden vertreten durch Prof. Joseph P.
Chamberlain von der Universität Columbia, und
Flüchtlingsexperte. Ein beratendes Gremium von
Freiwilligenorganisationen umfasste 20 Körperschaften, 10
davon jüdisch.
[Missbrauch der jüdischen
Organisationen: Sie sollen alle Probleme alleine lösen -
naive JDC-Führung]
Sofort nach der Kommissionsgründung wurde es klar, dass
zumindest einige Regierungen die Kommission als bequemes
Mittel betrachteten, das ganze Problem und die Handhabung
des Problems den jüdischen Organisationen zu überlassen,
so gut es eben ging. Hier, wie auch in (S.142)
so vielen anderen Fällen in den 1930er Jahren, bewies die
zentrale Führung des Verteilungskomitees JDC, dass sein
Verständnis für internationale Politik, wie sie gegenüber
jüdischen Problemen angewandt wurde, durch Naivität
charakterisiert war, die manchmal absolut unglaublich
schien.