[4.1. Erste
Auswanderungswelle 1933 generell]
[Auswanderung 1932 und
weltweite Wirtschaftskrise]
Der Beginn des Exodus der Juden aus Deutschland im Jahr
1933 traf die jüdischen philanthropischen Organisationen,
die wenig Geld hatten, vollständig. Das Verteilungskomitee
JDC hatte im Jahr 1932 gerade mal 340.815 $ ausgegeben,
und mit der Wirtschaftskrise in den USA, die damals ihren
Höhepunkt erreichte, war die Aussicht für zusätzliche
Gelder aussichtslos.
[1933: Die erste
Auswanderungswelle ohne Vorbereitung misslingt
teilweise]
Wie wir gesehen haben, wurde die Anzahl jüdischer
Flüchtlinge zuerst übertrieben: Im Jahr 1933 verliessen
ungefähr 37.000 Juden Deutschland. Der Unterschied
entstand durch die Tatsache, dass eine beträchtliche
Anzahl deutscher Juden kurz danach nach Deutschland
zurückkehrte.
(Endnote 1: R17, 10/19/34 [19. Oktober 1934] - JDC
Memorandum von Paris an das JDC Allocation Committee; dort
wurde festgestellt, dass 1933 59.300 Personen geflohen
waren, von denen waren 51.000 Juden. Bis April 1934 wurde
angegeben, dass sich diese Zahl auf 63.400 resp. auf
54.500 erhöht hatte. Der Bericht des JDC für 1933 (R19)
besagt, dass 1933 52.365 Juden aus Deutschland geflohen
waren).
Der Grund dafür war der feindliche Empfang, der ihnen in
den Flüchtlingsländern bereitet wurde. Sie waren
unvorbereitet, und die kurzfristig einberufenen
jüdischen Komitees waren nicht finanziert und unfähig, mit
dem Flüchtlingsstrom fertigzuwerden. Die Flüchtlinge
selbst waren oft bestürzt über die Not, dass die Freiheit
für sie nicht auf Lager war, und auch für jene, die meist
einen Mittelklasse-Hintergrund hatten, war sie nicht
vorbereitet.
Dies war speziell so in Frankreich, wohin die Mass der
Flüchtlinge 1933 floh (ungefähr 21.250). Es sollte daran
erinnert werden, dass in diesem ersten Jahr ein hoher
Prozentsatz der Flüchtlinge (72-74 %) in Europa blieben,
weil sid für eine Auswanderung nach Übersee nicht
vorbereitet waren.
(Endnote 2: Siehe Kapitel 3, Endnote 19).
[Werner Rosenstock: Exodus 1933-1939; In: Leo Baeck
Yearbook; London 1956, 1:373-90. Der Autor gründet seinen
Artikel von Dr. Kurt Zielenzieger in der Dezemberausgabe
des Londoner Journals: Population)].
Dieses Bild sollte in materiellen Fragen in den folgenden
Jahren geändert werden.
Die jüdischen Organisationen versuchten, den Flüchtlingen
zu helfen. Im frühen Frühling 1933 wurde von den führenden
jüdisch-philantropischen Gruppen eine Konferenz (S.138)
Tabelle
7: Jüdische
Auswanderung aus Deutschland, 1933-1937*
(*basierend auf Werner Rosenstock; siehe Endnote
2)
|
Jahr
|
1933
|
1934
|
1935
|
1936
|
1937
|
Total
|
Anzahl
Auswanderer
|
37.000
|
23.000
|
21.000
|
25.000
|
23.000
|
129.000**
|
** Von diesen [129.000], bekamen 85.490
Hilfe vom Zentralausschuss (ungefähr 66 % von
allen). Von denen, die Hilfe empfingen, wurden
44.311 "repatriiert", vor allem nach Polen und
in andere osteuropäische Länder; 17.130 gingen
nach Palästina, 10.196 in europäische Länder,
und 13.853 nach Übersee. Der grosse Anteil der
Repatriierten unter jenen, die Hilfe empfingen,
ist wegen der Armut der vielen osteuropäischen
Juden, die nach 1918 in Deutschland gesiedelt
hatten. Der Prozentsatz der Gesamtzahl der
Auswanderer, die nach Übersee oder nach
Palästina gingen, wuchs von 7-9 % im Jahr 1933
auf 41-46 % im Jahr 1936, und 60 % im Jahr 1937
(siehe auch JDC Primer (New York 1945).
|
in Paris abgehalten, zusammengerufen von Kahn, über alle
Absichten und Vorschläge. An Ort und Stelle wurden drei
Millionen Francs (160.000 $) verteilt - je eine Million
durch das Verteilkomitee JDC, die Alliance Israélite
Universelle, und durch die ICA [Jewish Colonization
Association]. Ein kleines Lenkungskomitee, zusammengesetzt
von Neville Laski von der Britischen Behörde der
(jüdischen) Abgeordneten, Dr. Louis Oungre für die ICA,
und Kahn, musste das Geld verteilen. Mit diesen Geldern -
so wurde gehofft - könnte man Lohnkassen in Deutschland
einrichten, Flüchtlinge in Frankreich und in anderen
Ländern mit dem Nötigsten versorgen, und Emigrationsarbeit
und Siedlungsarbeit finanzieren. Die Summen wurden bald
als ungenügend befunden, speziell die 250.000 Francs für
die Flüchtlinge in Frankreich.
Neben den gut etablierten Organisationen wie JDC, ICA und
der Alliance organisierte nun das britische Judentum
selbst eine effektive Hilfe für die Flüchtlinge. Im März
1933 wurde ein altes Komitee, das russisch-jüdischen
Einwanderern in England geholfen hatte, in ein Jüdisches
Flüchtlingskomitee umgewandelt ("Jewish Refugees
Committee"), geleitet von Otto M. Schiff, ein Cousin von
Felix M. Warburgs Frau. Ganz gegen die amerikanische
Praxis fanden durch eine Delegation mit Schiff, Neville
Laski, der Abgeordnetenbehörde, und Leonard Montefiore
(S.139)
von der mehr konservativen Englisch-Jüdischen
Gesellschaft, Treffen mit den Offiziellen des
Innenministeriums in London statt. Die jüdischen
Abgeordneten versicherten der britischen Regierung, dass
die jüdischen Flüchtlinge, die in England ankamen, nicht
zur öffentlichen Belastung werden würden. Ein Akademischer
Hilfsrat unter Leitung von Sir William Beveridge
versuchte, intellektuellen Flüchtlingen zu helfen, und es
gelang ihm, über 200 solchen Personen während der ersten
zwei Jahre der Nazi-Verfolgung zu helfen. Ein separates
Jüdisches Akademisches Komitee half dem Fachpersonal.