[3.13.
Wettbewerb im Spendensammeln zwischen JDC und den
Zionisten - Auswanderung von 174.803 Juden
1933-1937]
[In den "USA" sind
Zionisten und das JDC Konkurrenten beim
Spendensammeln]
Das Problem des Zionismus hatte in einem beträchtlichen
Masse auch Auswirkungen auf das JDC, jedoch von einem
anderen Standpunkt aus. In den USA waren die
Palästina-Organisationen (Palestine appeals) die
direkten Konkurrenten des JDC, was die Anstrengungen
beim Spendensammeln betraf. Von einem praktischen wie
auch von einem ideologischen Standpunkt aus übertrieb
das Verteilungskomitee JDC das Palästina, wenn auch
dessen Beitrag zur Lösung des deutsch-jüdischen Problems
nicht die alleinige Lösung sein konnte. Hyman, ein Mann,
der bei Problemen jeweils einen tieferen Sinn der Dinge
und Abläufe suchte, bezeichnete den Zionismus in diesem
Zusammenhang als eine Jahrtausend-Bewegung. Er spottete
über die Idee, dass bis zum Erreichen der
Jahrtausendwende mit Hilfe des einen oder anderen
Programms nichts getan werden sollte, weil in der Tat
"alle anderen Dinge eher beschönigend waren."
(Endnote 71: Hyman an Janowsky, 11/24/37 [24. November
1937], R13)
Die Zionisten dachten in Begriffen einer nationalen
Zukunft und einer allumfassenden Lösung, wogegen das
Verteilungskomitee JDC dazu neigte, die unmittelbaren
praktischen Probleme zu lösen, das hiess, den verfolgten
Juden zu helfen. Die Zionisten waren ihrerseits
bestrebt, die Rettungswege zu minimieren, die nicht nach
Palästina führten, mindestens bis 1937/1938, und oft
dachten sie nicht ernsthaft über Rettungsmöglichkeiten
für Juden nach, sie in andere Länder zu schicken;
während das JDC nicht hinter die unmittelbaren Kulissen
schauen konnte und auch nicht von seinem
kosmopolitischen Konzept abrücken konnte, das in der
liberalen Vor-Hitler-Zeit wohl seine Gültigkeit hatte,
aber nun im Zeit der wachsenden Katastrophe für das
europäische Judentum nur noch wenig Wert besass.
[174.803 Auswanderer
aus Deutschland 1933-1937]
Praktisch gesehen hatten von 1933 bis 1937 38.043 der
174.803 Auswanderer aus Deutschland in Palästina
Zuflucht gefunden.
Dies is ist insofern bedeutend, als man bedenken muss,
dass diejenigen, die nach Palästina einreisten, dort
siedelten und integriert wurden, während die Mehrheit,
die in Europa blieb nirgendwo siedeln konnten oder
integriert wurden.
[Die Araber werden nicht gefragt, und das Herzl-Büchlein
von 1896 behauptet immer ganze legal, dass Araber so
vertrieben werden können wie die Indianer in den
"USA"...]
Hyman war sehr über die pro-Palästina-Äusserungen
beunruhigt, die von vielen liberalen jüdischen Führern
in Deutschland kamen. Diese hatten den Effekt, dass
"alles in Deutschland hoffnungslos war, ... praktisch
alle wollen nach Palästina gehen." Die logische
Schlussfolgerung dieser Angewohnheit, so sagte er, war,
dass die Palästina-Arbeit und das Palästina-Programm die
einzige Art von Programmen war, die die amerikanischen
Juden unterstützen sollten. Das war das, was am meisten
zu beklagen war, sagte Hyman; sicherlich war das JDC
berechtigt, durch die jüdischen Führer in Deutschland
bestärkt zu werden, indem die Institutionen einen Hilfs-
und Unterstützungsappell herausgeben würden, der in
Deutschland selbst durchzuführen wäre. Dies trotz des
"vollen Bewusstseins (S.136)
zu dem, was Palästina für diese deutschen Juden
bedeutete."
Hyman dachte, dass die deutschen Juden eine
Stellungnahme abgeben sollten, dass Palästina nicht der
einzige Ausweg war - der natürlich, praktisch
gesprochen, keiner war.
(Endnote 72:
-- Die Statistiken stammen von einem Artikel von Max
Birnbaum m Jüdischen Gemeindeblatt für die
Synagogengemeinden in Preussen und Norddeutschland,
4/4/1938 [4. April 1938]
-- Hyman an Kahn, 10/11/35 [11. Oktober 1935], CON. 2;
-- Hyman erklärte seine Position in einem im Jahr 1937
publizierten Artikel
Proceedings
von der Nationalen Konferenz für jüdische Sozialhilfe im
Jewish Social Service
Quarterly (R12). Nicht-Zionisten, so sagte er,
sehen nichts schlechtes, den Kommunismus zu
unterstützen, wenn dies heissen würde, dass Millionen
Juden in die russische Wirtschaft integriert würden;
gleichzeitig können sie "immer mehr den Aufbau einer
grossen jüdischen Flüchtlingssiedlung und kulturelle
Entwicklung in Palästina aufbauen und sich dabei selbst
als zeitgenössische oder potentielle Elemente der
jüdischen Nation mit Zentrum in Palästina ansehen."
Während Palästina Massen von Einwanderern aufnehmen
konnte, "lehnen gewisse Gruppen die dauernde Betonung
auf Palästina ab", wenn damit eine Nationalbewegung
gemeint ist. Das Hauptziel der Nicht-Zionisten war "die
Integration der Juden in das Leben ihres Heimatlandes,
oder Geburtslandes, oder Aufnahmelandes.")
[Das Hitler-Regime
unterstützt den Zionismus zur Auswanderung nach
Palästina]
Kahn stimmte dem zu, aber erklärte auch, dass die Nazis
den Zionismus unterstützen würden, weil dies die grösste
Auswanderung von Juden aus Deutschland versprach;
demzufolge konnten deutsch-jüdische Führer keine
Stellungnahmen über andere Auswege abgeben. Noch weniger
konnten sie den Wunsch erwähnen, dass die jüdischen
Institutionen in Deutschland bleiben sollten. Die Nazis
hatten ein Treffen in Deutschland einfach deswegen
aufgelöst, weil der Sprecher gesagt hatte, "Wir haben
für diejenigen Leute zu sorgen, die ausreisen, und für
diejenigen Juden, die in Deutschland bleiben müssen."
(Endnote 73: Kahn an Hyman, 11/3/35 [3. November 1935],
CON 2)
[Im NS-Regime existieren grosse Lügen: Die Anzahl Visas
wird nicht erhöht, und am Ende wird geplant, Palästina
durch NS-Armeen zu besetzen. Dann hätten die jüdischen
Siedler die Strukturen in Palästina aufgebaut, und die
NS-Armeen könnten "übernehmen"...]
[Der Zionismus sucht
auch andere Auswanderungsländer als nur Palästina]
Die weitgehende Reduktion der Auswanderung nach
Palästina im Jahr 1936 - es wanderten in diesem Jahr aus
Deutschland nur 12.929 Juden dorthin aus - änderte in
einem gewissen Masse die zionistische Politik. Was
Weizmann betrifft, so hat er nie einen richtig eigenen
Standpunkt vertreten, und viele einzelne Zionisten
teilten seinen Standpunkt: Jetzt begannen die Zionisten
bei der Suche nach anderen Auswegen zu kooperieren.
Trotz der Einwänder von Zionisten für Palästina aus
nationalen und historischen Gründen wurden die
Unterschiede zwischen den einen und den anderen kleiner.
Das JDC liess seine Zweifel über die Unterstützung von
Auswanderung fallen und sah nun, dass das Unterhalten
von Institutionen in Deutschland nicht mehr als eine
Schadensbegrenzung war. Die Zionisten ausserhalb
Deutschlands wiederum begannen die Wichtigkeit zu
begreifen, dass diese Institutionen so lange in
Deutschland gehalten werden mussten, wie Juden in
Deutschland lebten, die auf sie angewiesen waren. Die
beiden Hauptflügel des jüdischen Lebens kamen sich
langsam aus rein praktischen Gründen näher, je mehr die
1930er Jahren fortschritten, und die Situation in
Deutschland wurde immer komplizierter und komplizierter.