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Yehuda Bauer: Der Hüter meines Bruders

Eine Geschichte des Amerikanischen Jüdischen Vereinigten Verteilungskomitees 1929-1939


[Holocaust-Vorbereitungen in Europa und Widerstand ohne Lösung der Situation]

aus: My Brother's Keeper. A History of the American Jewish Joint Distribution Committee 1929-1939; The Jewish Publication Society of America, Philadelphia 1974

Übersetzung mit Untertiteln von Michael Palomino (2007)

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Kapitel 3. Deutschland: 1933-1938

[3.7. Die Arbeit des Joint in NS-Deutschland ab 1934]

[3.7.1. Arbeitsbereiche]

[Ab 1934: JDC-Arbeit: Arbeit besorgen, Kassen, Erziehung, Hilfe, Kulturarbeit - und Auswanderung]

All dies war Theorie; von einem praktischen Standpunkt aus gesehen, musste das Verteilungskomitee JDC die Realitäten in Betracht ziehen - und diese Realitäten waren unglücklicherweise zu den liberalen Theorien von Hyman und seinen Freunden sehr verschieden. Die praktischen Anstrengungen des JDC waren Umschulung, die Einrichtung von Lohnkassen, Unterstützung bei der Erziehung, Hilfe, Unterstützung an kulturelle Institutionen, und Auswanderung - nach Palästina und in andere Länder - und auch Repatriierung osteuropäischer Juden.

Im Gegensatz zur Arbeitsweise in Polen wollte das JDC nichts mit der aktuellen Verwaltung der Gelder zu tun zu haben. Der ZA unterbreitete Berichte und schlug die Verteilung für eine Reihe von Zwecken vor, denen das JDC normalerweise zustimmte, weil das JDC in Deutschland zuverlässige Leute fand, denen man die Verwaltung der Gelder in zufriedenstellender Weise anvertrauen konnte - nicht so wie in Polen. Die Frauen und Männer in Deutschland waren - trotz allem - mit demselben Hintergrund wie die Führung des JDC selbst; und mit der Etablierung des ZA, bei dem das JDC selbst beteiligt war, war eine verantwortungsbewusste (S.118)

zentrale jüdische Körperschaft geschaffen worden, vom Typ, wie es das JDC überall gerne gesehen hätte, die nun die praktischen Aufgaben übernehmen konnte. In diesem Sinn trug das Verteilungskomitee eigentlich zur Gründung der ersten zentralen Institution bei, die das deutsche Judentum in moderner Zeit gekannt hat.

[JDC: Kahn sieht klar: Juden können in Deutschland nur mit Handwerk überleben oder mit Auswanderung]

Für Kahn, der die Gelder in Europa verwaltete, war es offensichtlich, dass die berufliche Umschulung aus zwei Gründen essentiell war - erstens, weil die Eliminierung der Juden vom Handel und die ihnen in Deutschland noch offenstehenden Berufe nur noch Handarbeit beinhalteten; und zweitens, weil auch in den Auswanderungsländern nur noch Juden auf eine Auswanderung hoffen konnten, die einen handarbeitlichen Beruf beherrschten.

[Schon 1932: Hohe Arbeitslosigkeit unter den Juden in Deutschland]

Die Lage war aber noch schlimmer, denn die Arbeitslosigkeit unter den Juden war schon gravierende, bevor die Repression der Nazis begann. Allein in Berlin waren im Oktober 7372 Juden arbeitslos. Wenn man die nicht registrierte Arbeitslosigkeit dazurechnete, kam man auf 10.000-11.000, oder auf 25 % aller jüdischen Lohnempfänger.

(Endnote 32: Jewish Chronicle, 2/24/33 [24. Februar 1933])
[Ab 1934 ca.: Der Zentral-Ausschuss (ZA) beginnt mit einem Niedriglohn-Jobprogramm für Juden mit Ziel Auswanderung]
Unter den Umständen starteten die verschiedenen autonomen Organisationen, die dem ZA angeschlossen waren, ein langfristiges Berufsschulungsprogramm, zu weiten Teilen Landwirtschaft, Gartenbau, Hauswirtschaft (für Mädchen), und Handwerk, hauptsächlich Zimmermann und Metallarbeiten.


[3.7.2. Berufsausbildungsprogramme für die Auswanderung]

[Zionistische Berufsausbildungsprogramme der Hechalutz für die Auswanderung nach Palästina]

Ein Teil dieser Kurse wurde von der Hechalutz organisiert, die zionistische Organisation, die Pioniere für Palästina ausbildete. Sie konnte ihre Mitgliederzahl von 500 vor Hitlers Machtübernahme auf einige 10.000 danach erhöhen. Im Jahr 1933 erhielten ungefähr 2300 junge Juden in den Zentren der Hechalutz, nur weniger als die Hälfte aller, eine Berufsausbildung (meist landwirtschaftlich); aber einige der anderen gingen auch nach Palästina, auch wenn die Ausbildung nicht spezifisch auf ein Auswanderungsland ausgerichtet war.

Tabelle 3: Berufsausbildung in Deutschland für junge Juden
Jahr
1933
Jan. 1934
Juli 1934
Dez. 1934
1935
1936
1938
Ausgebildete
5.169
6.069
6.771
4.005
7.346
7.676
3.068
(Endnote 33: Die Zahlen basieren auf Nathan Reich: Primer, S.98; Berichtsentwurf für 1936-R13; und: Hymans Bericht an den Nationalen Rat des JDC, 4/13/35 [13. April 1935]).

(S.119)

[Nicht-zionistische Berufsausbildung in Landwirtschaftsberufen in Neuendorf für Avigdor in Argentinien ab 1931]

Eine Anzahl wurden speziell nach Südamerika geschickt. Zum Beispiel war durch Nicht-Zionisten schon im Jahre 1931 ein Bauernhof in Neuendorf gegründet worden, durch Gruppen wie die Jüdische Wanderfürsorge ("Care of Jewish Migrants") - die später auch in der Repatriierung von Osteuropäern aktiv war. Hier wurden Bauern für das ICA-Projekt in Avigdor in Argentinien ausgebildet, wo viele der Ausgebildeten eventuell angekommen sind.

[Nicht-zionistisches Berufsausbildung in Landwirtschaftsberufen in Gross-Breesen ab 1936]

Im Frühjahr 1936 etablierte die RV einen weiteren Grossbauernhof, Gross-Breesen, unter Dr. Kurt Bondy, für 125 Auszubildende. Während die Zionisten das Prinzip dieser Einrichtung ablehnten, agierten einige Zionisten (z.B. Dr. Georg Lubinski) als spezielle Berater. Gross-Breesen war ein jüdischer Staat in Schlesien, und nachdem er im Mai 1936 eröffnet worden war, wurden dort Leute in Landwirtschaftsberufen und in Zimmermannsberufen ausgebildet. Die Führer der RV, Männer wie Otto Hirsch und Julius Seligsohn und andere liberale Führer, sahen Gross-Breesen als einen Hoffnungsschimmer für liberale Juden in Deutschland.

Die Führung war von grossen Erziehern wie Bondy inspiriert. So konnte man bei der Berufsausbildung auf dem Hof spitzenmässige Methoden anwenden, neben den reell technischen Fortschritten. Bis Frühling 1938 war Gross-Breesen dann selbsttragend. Aber die Emigrationspläne verzögerten sich dann, und im Jahr 1938 mussten die Pläne für gruppenweises Siedeln aufgegeben werden, trotz den Versuchen des JDC, mit Hilfe eine grosszügigen jüdischen Bürgers in Richmond, William B. Thalheimer, Gruppen in Virginia siedeln zu lassen. (Letztendlich wurde dort bei den Hyde Farmlands eine kleine Siedlung gegründet, die bis 1941 existierte).

[Ab Nov 1938: Nicht-zionistische Berufsausbildung in der Landwirtschaft in Holland und England]

Nach dem Pogrom vom November 1938 gingen die meisten Auszubildenden, Bondy miteingeschlossen, nach Holland und England.

(Endnote 34: Werner T. Angress: Auswandererlehrgut Gross-Breesen; In: Leo Baeck Yearbook (1965), 10:168 ff.

[Zionistische Ausbildung in Landwirtschaftsberufen in Holland und in anderen Ländern für Palästina ab 1918]

Die Zionisten konzentrierten sich andererseits zu einem grossen Teil auf ihre Bestrebungen, junge deutsche Juden aus Deutschland herauszubekommen, in anderen Ländern auszubilden und sie dann nach Palästina zu bringen, weg von der Nazi-Atmosphäre. Es gab ein solches Zentrum, das schon vor 1933 existierte, namentlich jenes in Deventer, Holland, das 1918 eingerichtet worden war. Bis 1936 waren es 1248 junge Juden, die in 26 Zentren eine Ausbildung absolvierten. Darunter waren auch einige Zentren, die nicht nur Palästina-orientiert waren, wie z.B. Wieringen in Holland.

Holland nahm 378 dieser jungen Leute, die CSSR (S.120)

141, Frankreich 124, Dänemark 213, das faschistische Italien 137, und das kleine Luxemburg 88; der Rest wurde auf verschiedene andere Länder verteilt.

Unter den Problemen, die nie gelöst wurden, war der Mangel an Mädchen für die Berufsausbildungen.

[Die Ausbildung in Landwirtschaftsberufen]

Der Hauptteil der Ausbildungen im Ausland bezog sich auf die Landwirtschaft, nämlich über 80 %. Die Hechalutz versuchte normalerweise, Bauernhöfe zu mieten, wo die Leute wie in einer Gemeinde leben konnten, aber manchmal kam das nicht zustande, wie in Dänemark und in der CSSR, und dort waren die Auszubildenden dann gezwungen, mit den einzelnen Bauern zusammenzuleben - was natürlich die Möglichkeiten für kulturelle und religiöse Aktivitäten beschränkte. Es gab gewisse Plätze, wie in Luxemburg, wo nur die fittesten hingesandt wurden, weil die Arbeit in den Weinbergen dieses Landes speziell hart war. Nichtsdestotrotz absolvierte die grosse Mehrheit diese Schwierigkeiten und viele von ihnen konnten am Ende nach Palästina oder in andere Länder auswandern. In den Städten wurden Gemeindezentren für jene eingerichtet, die im Handel oder im Handwerk ausgebildet wurden, einige von ihnen mit der Hilfe des ORT (wie in Litauen).

(Endnote 35:
-- David J. Schweitzer at Board of Directors, 1/4/36 [4. Januar 1936];
-- Training and Retraining outside Germany, 8-1; und:
-- Statement of Reconstructive and Emigration Activities Carried on in Germany; ohne Datum, 14-64)

Alle diese Aktivitäten, die als Auslands-hachsharah (Auslands-Ausbildung) bekannt waren, wurde im Grossen und Ganzen durch Shalom Adler-Rudel organisiert, ein zionistischer Experte auf dem Gebiet der Ausbildung, und durch die deutsche Hechalutz, mit Unterstützung des JDC mit Supervision und Finanzhilfen.

[Ab 1936: Ausbildungsbauernhöfe im Ausland schrumpfen]

Nach 1936 ging das Auslands-Ausbildungsprogramm zurück, weil es immer schwieriger wurde, junge deutsche Juden im Ausland für eine Ausbildung zu platzieren.

Bis 1937 waren nur 774 in einer Berufsausbildung.

(Endnote 36: Statistics, R43)

Aber trotzdem haben viele Hunderte von jungen Leuten ihre Auswanderungsperspektiven steigern können, indem sie diese Programme besuchten.


[3.7.3. Kinder-Hilfsprogramme]

[Ab 1932: Kinderprogramme von Recha Freier]

Mit dem Problem der Ausbildung war generell eine grössere Zukunftsfrage der deutsch-jüdischen Kinder verbunden. Die jüdische Tradition hat den Kindern und der Erziehung immer einen grossen Platz eingeräumt. So kamen auch die Programme, die sich mit Lösungen für die junge Generation beschäftigten, nicht zu kurz. Schon im Jahre 1932 sah Recha Freier, Frau eines Berliner Rabbi, eine wundervolle und ungeheuer willensstarke Frau, das Bedürfnis voraus, jüdische Kinder zu retten. Sie richtete eine Dachorganisation ein, die aus folgenden Gruppen zusammengesetzt war: Repräsentanten des Ahavah-Hauses, eine berühmte Kinderinstitution in Deutschland, die damals daran war, nach Palästina zu wechseln; Repräsentanten (S.121)

des Palästina-Kinderdorfs, Ben Shemen, das unter der Leitung eines grossen deutsch-jüdischen Lehrers stand, Ernst Lehman; und eine einheitliche Körperschaft, die alle zionistischen Jugendbewegungen in Deutschland vertrat. Am 14 Juli 1933 unterbreitete die Dachorganisation, die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendalijah, dem Zentral-Ausschuss (ZA) einen Plan, bis 1934 600 Kinder in Palästina zu platzieren, bei Kosten von 293.300 Deutschen Mark.

(Endnote 37: Memo der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendalijah an den ZA, 7/14/33 [14. Juli 1933], 14-48)

Es würden Kinder zwischen 13 und 16 Jahren aufgenommen, die an Institutionen wie die Ahavah oder Ben Shemen oder in Kibbuzim geschickt würden, oder in individuellen Familien einen Platz finden würden.

[1933: Kopie von Recha Freiers Kinderprogramm: Die Jugend-Aliyah für Palästina]

Das Programm wurde angenommen, und in Palästina wurde [im Jahr 1933] eine zentrale Organisation Jugend-Aliya aufgestellt (Einwanderung nach Palästina), angeführt vom der altgedienten amerikanischen Zionistin Henrietta Szold. Nach einem sechsmonatigen Ausbildungskurs in Deutschland wurden die Kinder, die alle sorgfältig ausgesucht worden waren, nach Palästina geschickt. Erst im Jahr 1936 aber, als 630 Kinder der Jugend-Aliyah Palästina erreichten, wurde das Ziel von 1933 schliesslich erreicht. Den Kindern gelang die Anpassung gut, und die Gelder des JDC wurden in diesem Programm gut verwendet, für einen Teil der Kosten für die Ausbildung und den Transport.

[1933-1939: Das JDC gründet die Deutsch-jüdische Kinderhilfe für 433 Kinder, die in die "USA" gebracht werden]

Auch der innere Kreis der JDC-Führung in Amerika hatte das Bedürfnis, Kinder zu retten. Im Oktober 1933 waren es Dr. Solomon Lowenstein und Jacob Billikopf, Chef der Nationalen Konferenz der Jüdischen Sozialwerke [?] ("Jewish Social Workers"). Sie waren entscheidend und stellten ein Komitee auf, die Deutsch-jüdische Kinderhilfe ("German Jewish Children's Aid"), um den Transfer von Kindern von Deutschland in die USA zu organisieren. Für die liberalen Juden in Amerika war es schwierig, das Bedürfnis für die Auswanderung des deutschen Judentums zu akzeptieren, speziell jenes von unbegleiteten Kindern. Es wurde bezweifelt, dass deutsch-jüdische Eltern mit diesem Vorgehen einverstanden sein würden.

Hyman erzählte Billikopf, dass es wünschenswert sei, Kinder in die Länder mit deutscher Sprache zu schicken als in Kontinente in Übersee, und dass es sogar besser wäre, sie alle in Deutschland zu behalten.

(Endnote 38: Hyman an Billikopf, 1/18/34 [18. Januar 1934], 14-54)

Es gab grosse gesetzliche und finanzielle Schwierigkeiten. Es wurde für jedes Kind eine Garantie von jährlich 500 $ gefordert, und die Platzierung von Kindern mit Familien "hat eine grosse Menge Schwierigkeiten verursacht." Aber dann gelang es doch einer ersten Gruppe (S.122)

von 53 Kindern, im November 1934 Amerika zu erreichen. Dr. Lowenstein erklärte dann jedoch im Mai 1935, dass "die Ausgaben jenseits der Proportionen zum aktuellen geforderten Betrag der generellen Hilfe in Deutschland lägen. Man könnte mit demselben Geld viel mehr Leuten in Deutschland helfen und in Projekten unterbringen. Wir sind deshalb bedauernswerterweise zum Schluss gekommen, dass wir keine anderen Kinder mehr herüberschicken können."

(Endnote 39:
-- Dr. Lowenstein am Executive Committee, 5/22/35; und:
-- 24 - Deutsch-jüdische Kinderhilfe ("German Jewish children's aid"), 1934-44)

Bis zu diesem Zeitpunkt waren ungefähr 150 hierhergebracht worden.

Nach dem Herbst 1935 [Nürnberger Rassengesetze] kam die Einwanderung von Kindern wieder in den Rahmen der Möglichkeiten, und bis zum Frühjahr 1937 hatte das Komitee die ursprüngliche Quote von 250 Kindern (eigentlich 235) erreicht, und es wurden weiter 10 bis 12 Kinder monatlich aufgenommen. Die Gesamtzahl der Kinder, die bis zum Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 innerhalb dieses Programms in die USA gekommen sind, war 433.

(Endnote 40: Executive Committee, 4/14/37 [14. April 1937])

[18 Kinder in England und in der Schweiz platziert]

In den Jahren 1933 und 1934 begann man innerhalb der Kinder-Auswanderung auch damit, Kinder in England und in der Schweiz zu platzieren. Es waren 18 Kinder.

Alle diese Anstrengungen ergaben statistisch nur sehr kleine Unterschiede, wenn man schätzte, dass 1934 doch 101.000 [jüdische] Kinder unter 15 Jahren in Deutschland lebten.

Aber psychologisch machte die elterliche Zustimmung, dass bis 1938 ungefähr 1000 unbegleitete Kinder eine Auswanderung unternehmen durften, einen bedeutenden Unterschied im Klima der Auswanderung aus, die sich schnell im deutschen Judentum auswirkte. Die Leute begannen vor allem nach 1935, willig ihre kostbarsten Besitztümer - ihre Kinder - in freundlichere Länder zu schicken.


[3.7.4. JDC-Schulen]

Egal welche Kinder-Auswanderungsprogramme es gab, so musste doch die grosse Mehrheit der Kinder in Deutschland bleiben. Als diese Kinder langsam aus dem allgemeinen Schulsystem gedrängt wurden, kam das Bedürfnis auf, ihnen eine jüdische und humanistische Erziehung in speziell jüdischen Schulen zu geben. Wegen der wenigen zur Verfügung stehenden Mittel des JDC am Anfang der Zeit, die unpassend als "der deutsche Notfall" bezeichnet wurde, war Kahn zuerst gegen die Gründung neuer Institutionen, denn dies hätte die Verwendung grosser Investitionsgelder nötig gemacht.

(Endnote 41: Kahn an Baerwald, 2/23/34 [23. Februar 1934])

Er bevorzugte es, die Kinder in wachsender Zahl in die schon existierenden Schulen zu schicken, indem man diese ausbaute, und er verteidigte energisch die Notwendigkeit, Gelder für die jüdische Erziehung zur Verfügung zu stellen. Die britischen Juden, meist Zionisten, argumentierten, dass für Schulen kein Geld ausgegeben werden sollte (S.123)

wenn es sich um Schulen in Deutschland handelte, denn die Kinder würden bald sowieso ausser Landes gebracht werden. Aber die Realität machte diese Diskussion bald zu einer akademischen Spekulation.

Im Frühjahr 1933 gingen nur 6000 von ungefähr 50.000 jüdischen Kindern in die Schule, aber die Anzahl [der jüdischen Kinder, die in die Schule gingen] wuchs jedes Jahr sprunghaft an.

(Endnote 42: Primer, S. 98; siehe auch den Jahresbericht von 1934)

Es war eine riesengrosse Anstrengung, Kinder wieder einzufügen, die aus der Schule getrieben worden waren, und erforderte ein spezielles Verhalten von Klassenkameraden und Lehrpersonen, und all dies in einer generell hasserfüllten Atmosphäre.

(Endnote 43: Eine Verordnung gegen den Schulbesuch jüdischer Kinder in deutschen Schulen wurde am 1. April 1936 publiziert, wurde aber noch einige Zeit lang nicht total umgesetzt).

All dies wurde durch einen Beschluss von Seiten der deutsch-jüdischen Erziehungsführung und geistigen Führung möglich gemacht. Es waren Männer wie Leo Baeck, Martin Buber, Ernst Simon und andere, die eine bessere geistige Welt für das Judentum einrichten wollten, indem man zu den jüdischen und humanistischen Werten und Traditionen zurückkehrte. Wahrscheinlich gab es nur wenige solche Zeiten in der Geschichte des deutschen Judentums, wo es solch ein Blühen der jüdischen Erziehung und Denkweise gab, wie es in diesen kurzen Jahren vor der Katastrophe der Fall war.

Das Verteilungskomitee JDC beharrte, nicht so wie die britischen Organisationen, auf der Hilfe und der Unterstützung dieser Aktivitäten. Speziell Kahn glaubte speziell an diese Werte des geistigen Widerstands, und er ermutigte die deutschen Führer, die Gelder zu verwenden, die man für solche Zwecke wie diese zur Verfügung gestellt hatte.


[3.7.5. JDC-Fürsorge - jüdische Fürsorgeempfänger]

Ein Bereich der Aktivität, die beim Zentral-Ausschuss (ZA) integriert werden musste, die für das JDC in Osteuropa eine Hauptbeschäftigung war, das war die Fürsorge. In Deutschland gab es kaum eine Wahl: Das JDC verstand die Not und gab für die Fürsorge grosse Summen aus. Die Anzahl der Fürsorgeempfänger vor 1938 lag im Durchschnitt bei ungefähr 20 % der jüdischen Bevölkerung. Im Jahr 1935/1936 z.B. war die Zahl 83.761; die Zahl stieg im Jahr 1937 leicht an. Zusätzlich wurden Gelder

Tabelle 4: Jüdische Schulen in Deutschland
Jahr
Anzahl Schulen
Anzahl Schüler
Total der jüdischen Kinder im Schulalter
1933
70
14.300
50.000
1935
130
20.000

1937
167
23.670
39.000

(S.124)

an die Jüdische Winterhilfe gegeben, auch wenn in den ersten Jahren des deutschen Regimes einige Hilfe noch von der deutschen Regierung kam. (In der Tat funktionierte das deutsche Hirn so effizient, dass bis zum Ausbruch des Krieges sogar jüdische Pensionsempfänger im Ausland noch pünktlich ihre Pension erhielten).

[Ab 1936: Verarmung der jüdischen Gemeinden - mehr Konzentration der Juden in den Städten]

Aber der konstante Rückgang der jüdischen Bevölkerung kam auch in der Verarmung der örtlichen Gemeinden zum Ausdruck, wo die meisten Leute, die Hilfe brauchten, ohne Rückgriff auf eine zentrale Organisation Hilfe bekommen hatten. Nun ergab sich eine neue Bevölkerungsbewegung von den kleinen Städten in die grossen urbanen Zentren.

Im Jahr 1937 wurden von den 1400 oder ähnlichen Gemeinden 309 vom ZA als bedürftig klassifiziert, und 303 als zum Teil bedürftig; weitere 120 baten darum, in dieser Kategorie aufgenommen zu werden. Berlin selbst hatte 15 Suppenküchen, wo eine grosse Anzahl kostenlose Mahlzeiten ausgegeben wurde, und ungefähr ein Drittel der gesamten jüdischen, öffentlichen Gelder in Deutschland wurden 1935 für die Fürsorge ausgegeben.

(Endnote 44: Kahn: Report und Bulletin; Januar 1936, R15; Kahn schätzte, dass vom gesamten Geld, das in Deutschland von allen jüdischen Organisationen gesammelt wurde, 8 Millionen Mark in die "Fürsorge" flossen, vermutlich Kinderhilfe, medizinische Hilfe, Hilfe für die Alten, und Fürsorge).

[JDC-Spendensammeln für die Fürsorgearbeit]

Die deutsch-jüdische Fürsorge war effizient und folgte modernen Methoden - eine ganze Generation der jüdischen Wohlfahrtsarbeiter hatte schlussendlich in Deutschland vor Hitler ihre Ausbildung erhalten, wenn auch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt. Das Verteilungskomitee JDC reagierte auf die deutsche Situation mit grosser Geschwindigkeit. Die Summe von 40.000 $ wurde sofort nach Hitlers Machtübernahme nach Deutschland geschickt, und nach der Reise von Jonah B. Wise wurden 254.000 $ geschickt.

(Endnote 45: Memo über JDC-Aktivitäten bezüglich das deutsche Judentum, 10/24/33 [24. Oktober 1933], 14-47)

[Mai 1933: Die Büros des Joint werden durchsucht - Existenz bis 1939]

Die Büros des JDC in Berlin wurden von den Nazis im Mai 1933 durchsucht, worüber Hyman mit dem US-Aussenministerium sprach und dann der amerikanische Konsul in Berlin "energisch und effektiv" intervenierte, wie auch der britische Konsul.

(Endnote 46: Executive Committee, 5/25/33 [25. Mai 1933])

Danach wurde das Büro des JDC nur noch formell betrieben, unter Professor Eugen Mittwoch, der dafür bis 1939 verantwortlich war.







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