Kontakt     Hauptseite     zurück

Atombomben in der Sowjetunion. Meldungen

Meldungen

präsentiert von Michael Palomino

Teilen / share:

Facebook







20 minuten
              online, Logo

11.5.2010: Russland: Zivile Atombomeneinsätze gegen Gasflammen etc.

aus: 20 minuten online: Nuklearer Werkzeugkasten: Man nehme: eine Atombombe; 11.5.2010;
http://www.20min.ch/wissen/history/story/Man-nehme--eine-Atombombe-12171542

<von Daniel Huber - Russische Experten empfehlen, das Öl-Leck im Golf von Mexiko mit einer Atomexplosion zu stopfen. Sie sprechen aus Erfahrung.

Seit der Explosion der Bohrplattform «Deepwater Horizon» ergiessen sich aus dem unterseeischen Leck jeden Tag um die 800 000 Liter Öl in den Golf von Mexiko – eine Katastrophe für die Umwelt.
Unterwasser-Explosion einer Atombombe Unterwasser-Explosion einer Atombombe InfoboxGeplanter Hafen in Alaska

Atomare Fantasien

Auch die Amerikaner führten zahlreiche nukleare Explosionen für zivile Zwecke durch. Zwischen 1961 und 1973 wurden im Rahmen des Projekts «Plowshare» 28 atomare Sprengsätze gezündet. Zu den Projekten, die glücklicherweise nicht verwirklicht wurden, gehörte der Vorschlag, bei Cape Thompson in Alaska mit mehreren Wasserstoffbomben einen künstlichen Hafen zu sprengen. Es gab auch Pläne, mit Atomexplosionen einen zweiten Panamakanal zu sprengen.

Nicht nur die Supermächte hegten atomare Träume. In den frühen Siebzigerjahren gab es einen deutschen Plan, einen Kanal vom Mittelmeer in die Qattara-Senke in Ägypten zu sprengen. 216 unterirdisch gezündete Bomben mit jeweils 1 bis 1,5 Megatonnen Stärke wären dafür nötig gewesen.

Nachdem auch der Versuch, das Leck mit einer Stahlglocke abzudichten, fehlgeschlagen ist, ist guter Rat teuer. Mit zunehmender Ratlosigkeit werden auch die Lösungsvorschläge immer abenteuerlicher: Russische Experten haben mit dem unorthodoxen Vorschlag Schlagzeilen gemacht, das Leck mittels einer nuklearen Explosion zu schliessen.

Nuklearer Hammerschlag

Die Idee ist nicht so absurd, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Eine Detonation mit einer Stärke von 30 000 Tonnen TNT würde den Fels um das Bohrloch herum zertrümmern und das Leck so verschütten. Die Russen wissen, wovon sie reden: Immerhin fünfmal wurde zu Sowjetzeiten in den nuklearen Werkzeugkasten gegriffen, um brennende Gasfontänen auszublasen. Nur einmal, bei Charkow in der Ukraine, missglückte der nukleare Hammerschlag.

Allerdings hatten die Sowjets mit ganz anderen Bedingungen zu kämpfen: Sie waren nicht mit einem unterseeischen Öl-Leck konfrontiert, sondern mit gigantischen Gasfontänen. Solche Riesenfeuer werden vom nachströmenden Gas genährt und können jahrelang brennen. Die enorme Hitze und der ohrenbetäubende Lärm erschweren es den Feuerlöschern, überhaupt in die Nähe der Fontäne zu gelangen.

«Wir waren Chirurgen»

Der ersten Gasfontäne rückten die sowjetischen Techniker am 30. September 1966 im heutigen Usbekistan zu Leibe. Eine Explosion von der anderthalbfachen Stärke der Hiroschima-Bombe unterbrach die Gaszufuhr in 1,5 Kilometer Tiefe, wie die russische Zeitung «Komsomoloskaja Prawda» berichtet.

Der Atomphysiker Albert Wassilijew vergleicht das Problem mit einem medizinischen Notfall: «Wenn man ein kleines Problem hat, nimmt man ein paar Pillen, bleibt vielleicht eine Weile im Spital. Aber wenn das Problem unglaublich ernst ist, wird man sich wohl operieren lassen. Das ist es, was wir waren - Chirurgen. Es war ein letztes Mittel – aber es wirkte.»

Zum letzten Mal «operierten» die sowjetischen Atom-Chirurgen 1979. Der Einsatz von Atombomben für zivile Zwecke war damit jedoch nicht beendet: Bis 1988 wurden in der Sowjetunion zivile Probleme nuklear gelöst. Nicht weniger als 169 Einsätze zählt die «Komsomoloskaja Prawda», auf rund 250 kommt die Online-Enzyklopädie Wikipedia.

Atomarer Bagger

Zwei Programme wurden ab 1965 aufgegleist: «Programm Nr. 6» und «Programm Nr. 7» dienten der Entwicklung von nuklearen Sprengkörpern für zivile Zwecke. An Ideen für die Anwendung solcher Sprengsätze fehlte es nicht: Gletscher sollten geschmolzen, Kanäle gesprengt und Flüsse umgeleitet werden. Tatsächlich wurden nicht weniger als 39 Atomexplosionen für geologische Untersuchungen bei der Suche nach Lagerstätten von Erz oder Öl und Gas durchgeführt. Mehrere Sprengkörper wurden für gewaltige Erdbewegungen eingesetzt, zum Beispiel beim Damm- und Kanalbau oder bei der Anlage von unterirdischen Hohlräumen zur Lagerung von Giftmüll.

Bei dieser grossen Zahl von Einsätzen ist es kaum verwunderlich, dass es zu unerwünschten Folgen kam. Am bekanntesten ist wohl Wiljui in der sibirischen Region Jakutien, wo 1978 eine Atomexplosion bei der Erschliessung einer Diamantmine nachhelfen sollte. Diamanten wurden kaum gefunden; dafür soll der Plutoniumgehalt im Trinkwasser nach wie vor zehntausend Mal höher sein als der erlaubte Grenzwert.>

-----

Welt online,
              Logo

2.2.2011: Die DDR lieferte das Uran für die "sowjetische" Atombombe - aus dem Erzgebirge in Sachsen und Thüringen

aus: Welt online: Kalter Krieg: Die sowjetische Bombe, die aus Deutschland kam; 2.2.2011;
http://www.welt.de/kultur/history/article12424149/Die-sowjetische-Bombe-die-aus-Deutschland-kam.html

<Autor: Sven Felix Kellerhoff

Das Uran für die sowjetische Atommacht wurde in der DDR geschürft. Der Film "Der Uranberg" wirft ein Schlaglicht auf ein dunkles deutsches Kapitel.

Das Piepsen wird schneller und lauter. Doch die sowjetische Offizierin ist misstrauisch; sie vertraut ihrem Geigerzähler nicht. Und tatsächlich: Kaum kippt sie das Gestein aus der Lore auf den Boden und misst erneut, bleibt das hektische Piepsen fast ganz aus.

„Taubes Gestein“, murmelt sie erst, dann schreit sie die herum stehenden Bergmänner an: „Taubes Gestein!“ Die Männer haben offenbar die Lore mit uranhaltigem Erz eingerieben, aber wertlosen Abraum eingefüllt. Sabotage? Oder schlicht der Versuch, bei der Akkordarbeit etwas mehr Geld zu ergaunern?

Ein vergessenes Kapitel deutscher Geschichte

Der Regisseur Dror Zahavi hat sich in seinem Film „Der Uranberg“ eines beinahe vergessenen Kapitels deutscher Geschichte angenommen. Der Film, der jetzt in die Kinos kommt, ist schon einmal versteckt im deutsch-französischen Kulturkanal Arte gezeigt worden. Doch am besten aufgehoben ist die Produktion des MDR im Kino: Anders als die meisten TV-Regisseure hat Zahavi tatsächlich Bilder zustande gebracht, die nach der großen Leinwand gieren.

Dass der Uranbergbau einmal ein wichtiger Wirtschaftszweig in Deutschland war, weiß heute fast niemand mehr. Seit der Wiedervereinigung werden die ehemaligen Bergwerke im Erzgebirge rückgebaut und die zerstörte Landschaft renaturiert. Vergessen ist auch, dass es ohne das Uran aus Thüringen und Sachsen wohl keinen Kalten Krieg gegeben hätte.

Bald nach dem Sieg über Hitler-Deutschland wurden die Spannungen zwischen den demokratischen USA und der kommunistischen Sowjetunion deutlich. Doch noch hatte der Westen einen ungeheuren Vorteil: Die USA verfügten 1945/46 über mehrere Atombomben, die neue Superwaffe. Trotzdem begann Stalin eine aggressive Politik: In Deutschland wurde die SPD 1946 gezwungen, mit der KPD zu fusionieren; in der Tschechoslowakei kam es zu einem kommunistischen Putsch; dann nahmen die Sowjets die zwei Millionen Einwohner von West-Berlin als Geiseln, indem sie die Versorgung mit Lebensmitteln blockierten.

Doch gegen die umgehend eingerichtete Luftbrücke traute sich Stalin nicht militärisch vorzugehen: Damit hätte er wohl einen Dritten Weltkrieg ausgelöst, in dem US-Atombomben Moskau, Leningrad und andere sowjetische Städte wahrscheinlich verwüstet hätten.

Um diese Überlegenheit der westlichen Vormacht auszugleichen, brauchte Stalin eigene Atomwaffen. Über die notwendigen Informationen zum Prinzip der Bombe, in den USA während des Zweiten Weltkrieges im „Manhattan Project“ für mehrere Milliarden Dollar erarbeitet, verfügte er schon: Mehrere Spione hatten der Sowjetunion die entscheidenden Einsichten verraten. Aber außer dem Wissen benötigte man unbedingt einen Rohstoff: Uran

In der Sowjetunion und der von ihr beherrschten Ländern Osteuropas gab es jedoch seinerzeit keine bekannten Lagerstätten dieses schweren, radioaktiven Elements. Mit einer Ausnahme: Im Erzgebirge, vor allem auf deutscher Seite bei Schneeberg, war seit Jahrhunderten neben verschiedenen Metallen auch vermeintlich wertloses Material gefördert worden, das man „Pechblende“ nannte.

Einfache Sicherheitsmaßnahmen ignoriert

In Wirklichkeit handelt es sich dabei um Uranoxid. Schon im September 1945 begann die sowjetische Besatzungsmacht mit einem Programm, um hier schnellstmöglich eine nennenswerte Uranproduktion in Gang zu bringen. Da es nicht genügend Freiwillige gab, wurden geeignete Bergleute mit Druck rekrutiert.

Allein zwischen Herbst 1946 und Ende 1947 wurden 43.590 deutsche Arbeitskräfte zur Arbeit für die Wismut AG gezwungen, davon stammten 31.626 aus dem Land Sachsen. Anders als in sowjetischen Kohle- und Eisenerzgruben wurden jedoch keine Kriegsgefangenen eingesetzt. Allerdings gab es Aushänge in den Kriegsgefangenenlagern in der UdSSR, die eine baldige Freilassung versprachen, wenn man sich freiwillig für den Einsatz bei der 1947 offiziell gegründeten Gesellschaft Wismut verpflichtete.

Doch die Arbeit unter Tage war extrem hart; selbst einfache Sicherheitsmaßnahmen ignorierten die sowjetischen Verwalter der reaktivierten alten Bergwerke. „Allein in den ersten drei Jahren des Uranbergbaus flohen ungefähr 50.000 Personen vor einer Einweisung zur Wismut AG oder brachen den Arbeitsvertrag“, schreibt der Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch in seinem Standardwerk „Uran für Moskau“ (Ch. Links Verlag Berlin 276 S., 14,90 Euro): „Weitere 15.000 mussten aus Krankheitsgründen entlassen werden.“

Zu Recht urteilt der Wissenschaftler: „Der Aufbau des Uranbergbaus erfolgte demnach zu enorm hohen sozialen Kosten.“

Doch das war Stalin gleichgültig. Er brauchte die Atomwaffe, und ohne Uran bekam er sie nicht. Also wurde ohne Rücksicht auf Verluste und mit allen anderen Mitteln einer Diktatur gefördert. Gearbeitet wurde rund um die Uhr, in drei Achtstunden-Schichten sechs Tage in der Woche.

Von 1948 bis 1953 fuhren viele Bergleute auch angeblich „freiwillige“ zusätzliche Schichten an Sonn- und Feiertagen. Die Produktion stieg von 17,2 Tonnen Uran im Probebetrieb 1946 über 321 Tonnen 1948 auf fast 3100 Tonnen 1953.

Dramatik wie im Bergbau-Drama „Das Wunder von Lengede“

Bis zum Ende der DDR wurden fortan jährlich zwischen 4000 und 6600 Tonnen Uran gefördert und an die Sowjetunion geliefert. Ohne diese Lieferungen hätte es weder ein sowjetischen Kernbombenprogramm gegeben noch die jahrzehntelange Konfrontation der beiden Supermächte mit der ständigen Gefahr eines atomaren Overkill.

Die Männer unter Tage waren wenigstens in den ersten 15 Jahren in eine geradezu militärische Disziplin eingebunden. Zudem wurden, ganz kapitalistisch, Prämien für gefördertes Uranoxid ausgelobt. Das brachte manche Bergleute dazu, faule Tricks zu versuchen. Etwa, indem Loren mit Pechblende eingerieben und mit Abraum gefüllt wurden, auf das die Männer wenig Uranoxid legten. Bald aber kamen die sowjetischen Kontrolleure hinter diese Methode.

Diesen Trick greift Dror Zahavi in seinem Spielfilm auf, der ansonsten über die üblichen Ingredienzien eines „TV-Events“ verfügt: bekannte Bildschirmgesichter wie Henry Hübchen, eine Liebesgeschichte, dramatische Bilder in Anlehnung an das Bergbau-Drama „Das Wunder von Lengede“ (2003).

Zu den Stärken des Drehbuchs von Hans-Werner Honert aber zählt, dass er auf das gewohnte Happy-End verzichtet: „Der Uranberg“ ist ein Film, an dessen Ende es nur Verlierer gibt. Ob so ein Programm mindestens sechs Millionen Fernsehzuschauer vor den Bildschirmen hält, ist jedoch offen.

Unfreiheit der Preis für Frieden

Auch in der Realität hatte der Uranbergbau im Erzgebirge nur Verlierer. Mindestens 772 Bergleute kamen bei Unfällen ums leben, etwa 25.000 Arbeiter litten an dem radioaktiven Staub, den sie bei schwerer körperlicher Arbeit einatmeten. Allein zwischen 1954 und 1985 flossen aus dem DDR-Staatshaushalt 17 Milliarden Ostmark Subventionen in die Uranproduktion.

Die Stasi betrieb bis 1982 eine eigene Abteilung im Range einer Bezirksverwaltung, um die Mitarbeiter der Wismut zu überwachen und Proteste gegen die Umweltzerstörung zu unterdrücken. Seit der Einheit schließlich wurden mehr als sechs Milliarden Euro in die Renaturierung gesteckt; Uran gefördert wird im Erzgebirge seit 1990 nicht mehr.

Der größte Verlierer aber war die Menschheit. Denn nur dank des Urans aus dem Erzgebirge konnte die Sowjetunion zur Atommacht werden.

Ohne das Gleichgewicht des atomaren Schreckens wären die kommunistischen Diktaturen der Welt wahrscheinlich schon viel früher zusammengebrochen; vielen Millionen Menschen wäre das Leben unter der Diktatur erspart geblieben. Ihre Unfreiheit war der Preis für den Frieden in einer atomar hochgerüsteten Welt.>






^